Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen
angestrengt.
Kein Laut mehr.
Dick rührte sich.
»Verdammt, wie die Maus in der Falle! Ob er jetzt kommt, der Alte, und uns erpreßt? Unseretwegen in Gefahr gekommen und so weiter?«
»Wir werden ja sehen.«
»Kann uns auch bis morgen früh hierbehalten und die Kleider ausziehen.«
»Und alles Geld abnehmen.«
»Kann er. Das ist das Dunkle.«
»Rede keinen Nonsens, Phyllis. Und tapp nicht in die Ecke, wo ich mich erbrochen habe.«
Vicky hockte an der Wand und fing wieder an zu lachen.
»Hör bloß auf!«
»Großer Reinfall.«
»Wie viele hier schon ausgeraubt und umgebracht worden sind?«
»Ich sehe Gerippe.«
»Das ist mir zu abstrakt.«
»Hallo, Walt, stell dich unter den Deckel!«
»Wozu denn das?«
»Walt, los!«
Walt gehorchte.
Edward schwang sich auf Walts Schulter, hielt ohne Mühe das Gleichgewicht und stemmte gegen den Deckel.
»Wo hast du denn das gelernt? Parterreakrobat?«
»Immerhin mal Stahlarbeiter gewesen, Hochbau, Brücken.«
Der Deckel hob sich. Edward schob ihn so weit zur Seite, wie es notwendig war, um hinauszuklettern. Er machte Klimmzug, stemmte durch und gelangte auf die Diele.
Sie stiegen einer nach dem andern hinauf, als letzter Dick hinter Victoria.
Für die anderen ließ er die Leiter hinunter. Red Sleeves war nirgends zu sehen. Der Zugang zur Haustür war versperrt.
»Moment. Bleibt ruhig.«
Auch im Erdgeschoß war es sehr dunkel. Die Leitertreppe, die die sechs vom Heruntersteigen schon kannten, führte zum oberen Stock. Die sechs befanden sich an der Hinterseite des Hauses. Es gab eine kleine Tür, in deren großem Schloß ein rostiger Schlüssel steckte. Sie mußte in einen anderen Raum führen.
»Edward geh voran, du hast das Messer.«
Der Angerufene versuchte, den Schlüssel zu drehen. Das Schloß funktionierte schlecht. Endlich öffnete es sich. Der kleine Nebenraum war fast leer. Soweit sich in der Dunkelheit erkennen ließ, lag nur Gerümpel in den Ecken. Aber der Raum hatte ein Fenster. Ein Schiebefenster, das stark verklemmt war und sich nicht öffnen ließ. Edward suchte sich feuchte Lumpen zusammen und drückte die Scheibe vorsichtig ein. Die Scherben klirrten kaum.
Er half zuerst Queenie, dann Phyllis und Vicky hinaus. Die drei Burschen folgten.
Die sechs schlichen sich durch die verwilderten Gärten bis zu der Gasse, durch die sie gekommen waren.
Draußen ertönten zwei scharfe Pfiffe. Edward hob die Hand, und alle hielten an.
Er winkte, und es ging zurück durch die Gärten, zwischen wucherndem Gesträuch und stachligen Zweigen hindurch. Dick übernahm die Führung. Er lenkte zu der Häuserreihe, die die Gärten auf der anderen Seite begrenzte. Die Kunstschüler auf verbotenen Wegen schwangen sich zweimal über Zäune und fanden einen Durchgang zu einer Straße. Es war eine alte Straße, die zu einer berühmten alten Kirche führte, und sie war den Jüngern der Kunst von den Besichtigungen her wohlbekannt. Sie atmeten auf. Hoch am Himmel leuchteten die Sterne. Schwarz, stumm, schlaftrunken war die kleine Stadt.
»Wo ist Victoria?«
Queenie schaute sich erschreckt um.
Sie waren ihrer nur noch fünf.
Vicky fehlte.
»Walt! Wo ist Victoria?«
»Weiß nicht. als wir umdrehen mußten, war sie noch da.« »Hast du nicht mehr auf sie aufgepaßt?« »Warum denn gerade ich?« »Was nun?«
»Walt, wir gehen suchen. Macht ihr andern, daß ihr nach Hause kommt. Dick hat auch einen Schlüssel.«
Edward packte Walt am Arm und zog den Widerstrebenden zurück in die Gärten zwischen Sträucher und Bäume.
Die übrigen drei gingen miteinander heim. Die Freude am Weinabend und die Spannung des Abenteuers waren verflogen. Es blieb nur noch die Sorge um Victoria, die kleine, bescheidene, zum erstenmal in ihrem Leben ein wenig berauschte Indianerin.
Dick schloß eine Tür für Angestellte auf. Phyllis und Queenie huschten über Gänge und Treppen auf ihr Zimmer. Sie schlossen die Tür ab; ihr Herzschlag wurde wieder ruhiger. Als sie abgebraust und wieder getrocknet waren, standen sie beide an den Fensterscheiben und spähten.
Kurz vor der Dämmerung kehrten Edward und Walt zurück.
Victoria hatten sie nicht dabei.
Queenie war übernächtig. Der Schweiß brach ihr am ganzen Körper aus. Was würde Senor-Caballero Joe King sagen? Sie hatte den Eindruck gehabt, daß Red Sleeves ihren Mann von irgendwann und irgendwoher kannte, und Joe Inya-he-yukans Bild war dadurch leibhaftig und nahe geworden.
»Phyllis, wir gehen noch vor dem Frühstück zu
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