Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen
geheimnisvollen Krankheit vorüber war.
Dann nahm die Mutter das kraftlos gewordene Kind auf den Arm und trug es den weiten Weg heim zur Blockhütte. Es war schon düster darin, draußen dämmerte der Himmel der Nacht zu. Die beiden Kleinen aßen hungrig von dem Brot, das die Mutter ihnen aufschnitt.
Wakiya lag erschöpft auf den Decken, und die Mutter hätte am liebsten aufgeheult wie eine Wölfin, denn das graue Antlitz des Kindes glich dem Antlitz des Vaters in jener Stunde, als er starb. Sie konnte das vor sich selbst nicht verbergen.
In ihren Ohren aber klangen noch die Worte nach, die einer der Männer beim Abschied zu ihr gesagt hatte:
»Hüte ihn gut, deinen Wakiya, denn ihm ist mehr gegeben, zu leiden und zu wissen, als uns gegeben wurde. Bei ihm sind die Geheimnisse.«
Wakiya erholte sich nur langsam, aber der Tag, an dem er zur Schule gehen mußte, rückte immer näher. Eines Mittags kam eine fremde Frau zu der Hütte. Wakiya saß bei der Mutter in der Wiese vor dem Haus und half ihr, Beeren auszulesen. Die fremde Frau war höflich. Sie blieb, wie es sich für einen ungebetenen Gast geziemte, zwanzig Schritt vor der Hütte stehen und grüßte, vorsichtig, beinahe zaghaft, ob sie wohl nicht störe. Die Mutter schaute auf, erhob sich aber nicht, sondern erwiderte nur den Gruß, ebenso vorsichtig und noch halb abweisend, da sie die Wünsche dieser Frau, die noch nie hier gewesen war, nicht kannte.
Wakiya warf ein paar schlechte Beeren beiseite und musterte dabei verstohlen die Fremde. Sie war kein Geist, sondern ein Mensch mit Kleidern, wie sie auch die Mutter trug, Bluse und Rock. Aber die Kleider waren nicht geflickt, und die Bluse war weiß, so weiß wie Schnee, der Rock aber blau wie der Himmel, wenn er zu dunkeln beginnt. Zierliche Schuhe trug die Frau, ähnlich wie Mokassins, doch waren sie nicht gestickt. Sie hatte ihre langen schwarzen Haare in der Mitte gescheitelt und die Zöpfe im Nacken aufgesteckt. Ihre Augen waren groß und hellbraun wie die einer Antilope.
Wakiya hatte nun schon gehört, wie die Frau hieß: Margot Adlergeheimnis.
Sie kam noch ein paar Schritte näher, aber da die Mutter sie nicht einlud, sich zu setzen, blieb sie stehen. Sie erzählte mit einer Stimme, die so sanft war wie der Blick ihrer Antilopenaugen, daß sie selbst auch einen kleinen Buben habe und daß dieser nun auch in die Schule komme. Wakiya-knaskiya werde in die schöne neue Schule aufgenommen, und dorthin werde auch ihr Bub gehen, David Adlergeheimnis.
Byron Bighorn und David Adlergeheimnis würden wohl in der gleichen Klasse zu lernen beginnen. Sicher würde es ihnen Freude machen zu lernen, da sie beide große, alte, berühmte Namen trügen: Byron, den Namen eines Mannes, der zu träumen, zu dichten und zu kämpfen verstand, und David, den Namen eines Hirtenjungen, der mit einem kleinen Stein einen Riesen erlegte.
Das zweite machte Wakiya-knaskiya mehr Eindruck, und er schaute gespannt auf die fremde Frau, ob sie weiter Geschichten erzählen würde.
Aber die Mutter blieb mürrisch. »Der Weg zur neuen Schule ist weit, und Wakiya ist schwach.«
Die fremde Frau seufzte. »In die alte Schule werden keine Kinder mehr aufgenommen, weil sie zu klein und zu schlecht ist.«
Da die Mutter darauf keine Antwort gab, sondern sich wieder ganz ihrer Arbeit zuwandte, nahm Margot Adlergeheimnis Abschied und ging fort. Die Mutter lauschte, bis kein Schritt mehr zu hören war.
»Sie kommt von den Geistern, Wakiya, die uns mit ihren Geheimnissen und Giften gesund machen wollen. Aber dein Vater ist gestorben, und sie haben nichts dagegen vermocht. Als unsere Väter noch Büffelfleisch aßen, Büffelleber und Büffelhirn, wurden sie alt. Seitdem die Geister uns die schlechtesten ihrer Speisen geben, werden wir krank und sterben früh. - Der Mann der Margot Adlergeheimnis trägt den Namen Ed Adlergeheimnis. Er ist nicht in unserem Stamm geboren und lernt auf der hohen Schule der Geister, weit, weit fort von hier. Schaue dir David genau an, ehe du mit ihm sprichst. Du hast gehört: Sein Vater ist nicht in unserem Stamm geboren, und er lernt die Worte und Schliche der Geister.«
Die Mutter horchte wieder, und durch die linde Stille der Prärie war von weither ein schwacher fremdartiger Ton zu hören.
»Das ist ihr Auto. Die Frau des Ed Adlergeheimnis läuft nicht mit ihren Füßen den ganzen weiten Weg zu uns. Es wundert mich, daß sie unsere Hütte überhaupt gefunden hat.«
Die Mutter hatte niemand, mit dem sie
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