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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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nicht, was die anderen Kinder gelernt hatten. David Adlergeheimnis ging darum in der Pause mit Byron Bighorn zusammen, um ihm dies und jenes zu erklären. Die Mutter, Margot Adlergeheimnis, hatte ihren David nach Wakiya ausgefragt und ihn dann gebeten, Wakiya zu helfen. Im Eifer des Erklärens sprach David oft seine Muttersprache, und Wakiya liebte ihn dafür. Aber eines Tages kam ein langer, magerer Mann, dessen Stimme klang wie Steine, die sich aneinander rieben. Er schalt die Lehrerin mit der schwarzen Haut, so daß ihre Augen nicht mehr munter blickten und ihre Wangen noch dunkler schienen.
    »Ihre Kinder sprechen untereinander nicht englisch! Haben Sie das überhört?«
    Diese Worte konnte Byron Bighorn schon verstehen, und David Adlergeheimnis verstand sie auch. Die Kinder erschraken beide. Durch ihren eigenen Schrecken hindurch wie durch einen Vorhang hörten sie die sanfte Stimme der Lehrerin antworten: »Entschuldigen Sie, Mister Teacock, ich werde künftig aufmerksamer sein.«
    Aber Mister Teacock war mit dieser Antwort nicht zufrieden. Wer in sein Inneres hätte schauen können, hätte ihn dabei angetroffen, wie er einen Augenblick über die präziseste Formulierung seiner Unzufriedenheit nachdachte, nicht anders als über die beste Lösung einer mathematischen Aufgabe. »Es ist nicht genug, Miss Lawrence, daß Sie sich vornehmen, künftig aufmerksamer zu sein. Sie müssen die Kinder bestrafen. Das ist Vorschrift. Werden Sie das tun?«
    »Ja, Mister Teacock. Es ist Vorschrift.« Miss Lawrence wagte es nicht, bei ihren Worten zu seufzen, aber Wakiya fühlte, daß ihre Worte ein einziger Seufzer waren.
    »Die Kinder müssen gehorchen lernen, das ist das erste. Wie heißen diese boys? Nein, Miss Lawrence, lassen Sie die beiden selber antworten! Wie heißt ihr?«
    »Dave Crazy Eagle.« Das war eine feste Antwort.
    »Und du?«
    Wakiya-knaskiya schaute den langen, mageren Mann verwundert an, als ob ihm ein fremdes, gefährliches Tier begegne, das er scharf beobachten müsse. Er legte den Kopf etwas zu Seite. Vor ihm stand Mister Teacock. Mister Teacock war ein Geist. Mister Teacock war kein guter Geist, aber Mister Teacock war ein mächtiger Geist. Ein böser Geist. Wakiya-knaskiya wußte auf einmal, wie jene Geister ausgesehen haben mußten, deren Mazzawaken blitzten und krachten, und dann waren die Kinder gestorben. Geister hatten Kinder getötet. Sie hatten auch Wakiyas Urgroßvater, zwei seiner Brüder und seine junge Schwester getötet. In der Nacht waren die Toten in den hirschledernen Gewändern gekommen, aber sie hatten nicht mehr sprechen können, und der Stab ihrer Herrschaft war wieder verschwunden.
    »Nun - willst du nicht antworten?! Wie heißt du?«
    »Bighorn!«
    Mister Teacocks Gesicht verzog sich, als er das Wort hörte, denn jetzt war es an ihm, Gedankenverbindungen herzustellen.
    »Miss Lawrence, ist das tatsächlich sein Name?! Oder will dieser Bub mich zum besten haben... Die Kinder zeichnen im Zeichenunterricht Dragoner ohne Köpfe - strömendes Blut -! Es hat schon in der Zeitung gestanden. Was soll das also, Bighorn? Meint er das Massaker, dem General Custer zum Opfer fiel?«
    Wakiya-knaskiya konnte diese Worte nicht alle verstehen, obgleich Mister Teacock sehr deutlich akzentuierte. Wakiya wußte nicht, was ein Massaker ist, aber der Vater hatte ihm in den Abendstunden oft von dem großen Sieg der Häuptlinge über General Custer erzählt, bei dem auch Wakiyas Urgroßvater mitgekämpft hatte. Wakiya verstand, daß es um seinen Namen und um diese Schlacht ging. Die Lehrerin hatte glühende Wangen wie die Kinder, aber sie antwortete wiederum sehr sacht und milde.
    »Entschuldigen Sie, Mister Teacock, aber Bighorn ist tatsächlich der Name der Familie. Byron' Bighorns Vater trug ihn schon.«
    »So, so. Trug ihn schon. Ich muß mich darum kümmern, wer die Namen auswählt. Um alles müßte ich mich kümmern, schlechthin um alles! - David Crazy Eagle und Byron Bighorn! Habt ihr das Treuegelöbnis zu unserem Banner gelernt?«
    David Adlergeheimnis - Crazy Eagle und Wakiya-knaskiya -Byron Bighorn waren noch sehr kleine Buben. Sie waren beide noch nicht ganz sechs Jahre alt, die jüngsten in ihrer Klasse. Aber wie das Büffelkalb, das noch stelzbeinig hinter der Mutter über die Prärie läuft, schon Freund und Feind wittert, so witterten David und Byron, daß es für Theodore Teacock, dessen schmales Gesicht jetzt auch schon rot angelaufen war, mit dem Treuegelöbnis zum Sternenbanner nicht nur

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