Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen
kaum benutzt worden, da sie ihr Lebtag gewohnt gewesen war, in einer Hütte mit einem einzigen Raum zu wohnen. Es stand auch jetzt nichts darin als etwas Kochgeschirr, hoch an der Wand lag über zwei Haken das Jagdgewehr des verstorbenen Hausherrn. Joe untersuchte die Waffe. Sie war ebenfalls durchgeladen. Da Eliza im Gefängnis war, hatten Wakiya und dessen Pflegeeltern das erste Recht auf diese Waffe. Joe brachte sie zu seinem Schecken und steckte sie in die dafür vorgesehene Tasche am Sattel. Er machte die Pferde los und führte sie weg. Eine Anhöhe mit Einschnitten und Mulden erschien ihm ein geeigneter Platz zur Unterbringung. Es war eben die Anhöhe, auf der Wakiyas alter Versteckplatz lag.
Joe machte die Pferde hier fest. Die Anhöhe war abgelegen, kein gewohnheitsmäßig begangener Pfad führte darüber. Wer zum Haus kam, wurde nicht gleich auf die Pferde und darauf aufmerksam, daß sich ein Gast im Haus befand. Joe schlich sich zu der Behausung zurück. Wenn es ihn nicht zuviel Zeit kostete, wollte er noch herausbringen, wer der Besitzer der großen Jacke war. Da der Bursche seinen Revolver in der Tasche hatte steckenlassen, konnte er nicht allzu weit sein, selbst wenn er noch andere Schußwaffen bei sich führte.
Der Unbekannte war auch kaum zu dem Zweck hierhergekommen, dem Eindringling in das hellblaue Haus zwei Flaschen schlechten Brandy zu bringen. Solches Zeug in solch kleinen Mengen mußte sich ein Trinker selbst abholen, dafür gab es kein Liefergeschäft. Hinter der Verbindung des neuen Hausherrn mit dem Hünen, dem die Jacke gehören mußte, steckte vielleicht nicht viel, aber nach Joes Vermutung doch etwas mehr, als es nach zwei Flaschen kläglichen Gesöffs den Anschein haben mochte. Joe kam auf den Gedanken, auf die alte Außentoilette zu gehen. Es war eine windschiefe Bretterhütte mit schrägem Dach, die jetzt nicht mehr benutzt zu werden brauchte, da sich die Bequemlichkeit im Hause befand. Die Tür war mit einem Holzriegel von innen verschlossen, aber es war leicht, mit dem Messer in den Spalt zwischen den Brettern durchzufahren und den Riegel zu heben. Auf die gleiche Weise konnte er auch von außen wieder heruntergedrückt worden sein. Als Joe eingetreten war, nickte er vor sich hin. Er hatte den Abladeplatz der geleerten Brandyflaschen gefunden. Da lagen sie, schlecht gestapelt, zum Teil im Kübel, zum Teil auf dem Sitz, zum Teil auf dem Boden, Zeugnis vorübergegangener Genüsse.
Hier war nicht wenig gesoffen worden.
Joe kombinierte, daß Elizas Verdienst aus diesen Flaschen vertrunken worden war. Ganz ohne Zustimmung mit ihr hatte sich der Unbekannte wohl nicht im Hause eingenistet, und irgend jemand mußte Eliza, in deren Haus nie getrunken worden war, verführt haben.
Ein paar Wochen Orgien, dann Eliza im Gefängnis, und der Bursche okkupierte das Haus. Ob die beiden standesamtlich getraut worden waren und der Kerl daher Erbansprüche hatte? Wohl kaum. Das hätte Joe King denn doch erfahren, wenn ihm auch Elizas vor kurzem erfolgte Verhaftung und Verurteilung zunächst entgangen war.
Für eine derartige Menge Brandy, wie er hier durch die Kehlen geflossen war, konnte sich allerdings auch ein Hüne mit guter Lederjacke und Revolver gelegentlich herbemüht haben.
Was suchte er jetzt noch im Haus? Und wer war es?
Joe ließ die Flaschen unberührt, ging hinaus und drückte von außen den Riegel in den Haken herunter. Er begab sich in das Haus zurück und legte sich wieder auf die Schlafstatt, als ob er völlig arglos sei.
Noch vor dem Morgen kam der Erwartete. Joe hörte ein Pferd traben und haltmachen; er hörte die Haustür auf- und zugehen und vernahm schwere Schritte auf der Diele. Die Zimmertür wurde geöffnet; auf der Schwelle stand der Hüne in Cowboykleidung ohne Jacke.
Joe blinzelte ihn an; das Mondlicht floß jetzt durch das Fenster, und er hatte ihn schon erkannt. Das war einer der Männer, die sich vor drei Jahren ebenso wie Joe auf dem Rodeo in New City am Wettbewerb des steer-wrestling beteiligt hatten. Der Bursche hieß Wolve, Teddy Wolve, war. Cowboy gewesen und hatte sich nach dem Rodeo für ein Schlachthaus anwerben lassen; was inzwischen aus ihm geworden war, wußte Joe nicht. Er schien wohlgenährt und war nicht billig gekleidet. Die gesamte Erscheinung wirkte massig und roh, das Gesicht nicht dumm. Die Augen blickten lauernd.
»Hallo - was liegt denn da? Joe!«
»Hallo - wo kommst du her?«
»In diese trübe Hütte! Joe, was hast du da für elende
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