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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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weisen wollte, und torkelte so bis zum Haus. Er legte den Arm über die Augen und lehnte sich an die hellblaue Außenwand. Er war völlig erschöpft. Die Wut seines Rausches war vorbei.
    Wakiya-knaskiya wußte nicht, was er zuerst tun sollte. Er wollte nach Hanska und nach seiner Schwester sehen, er wollte nach der Mutter fragen, und er mußte das Pferd wieder einfangen. Ein Pferd verlieren! Was würde Inya-he-yukan sagen?
    Wakiya rief und lockte das Tier, aber es scheute und kam nicht näher.
    Der Stute wieder habhaft zu werden, wenn sie sich nicht fangen lassen wollte, schien für einen kleinen Jungen, der zu Fuß über die Wiesen lief und nicht einmal ein Lasso bei sich hatte, ganz und gar unmöglich. Jedes Ranchhaus aber lag weit entfernt.
    Wakiya beschloß, zuerst Hanska zu begrüßen. Die Gelegenheit war günstig, denn der betrunkene Mann war erschöpft und nicht aufmerksam, und die alte Frau im Hause hatte sich freundlich gezeigt. Der Bub schlüpfte in das Haus, dessen Tür noch offenstand. Er kam zunächst in den kleinen Flur, und da er linker Hand hinter einer Tür ein Geräusch hörte, trat er dort ein. Er gelangte in das größere der beiden Zimmer des Hauses, in dem die Kinder früher mit der Mutter zusammen geschlafen hatten. Die Betten waren noch die gleichen wie ehedem, doch waren sie jetzt verschmutzt, und der ganze Raum stank. In dem einen der Betten lag angekleidet Wakiyas kleine Schwester, schmal geworden, mit heißen, glanzlosen Augen. Hanska hockte in einer Ecke; vor ihm saß die alte Frau auf einem Stuhl.
    Wakiya kämpfte gegen den Eindruck, der ihn überwältigen wollte. »Wo ist meine Mutter?«
    Die alte Frau schlug die Hände zusammen und wiegte den Kopf. »He je, deine Mutter! Deine Mutter!« »Wo ist meine Mutter, Eliza Bighorn?«
    »Deine Mutter, deine Mutter! He je!«
    Hanska schoß aus der Ecke hervor. Seine Nase war verschmiert von angekrustetem Blut, er hatte blaue Beulen über den Augen.
    »Wakiya-knaskiya!«
    »Hanska!«
    »Unsere Mutter ist im Gefängnis! Wo ist der Böse?« »Steht vor der Tür und kann nicht mehr.« »Komm, wir laufen weg - schnell!«
    Wakiya gab im Herzen seinem Bruder recht. Aber die kranke kleine Schwester durften sie nicht im Stich lassen.
    Hanska zerrte die Schwester aus dem Bett.
    »Komm!«
    Die alte Frau war aufgestanden, drängte sich dazwischen und schalt.
    »Was macht ihr! Was macht ihr!«
    Aber die beiden Jungen von zehn und elf Jahren waren stärker als sie, und der erschöpfte Betrunkene draußen achtete auf nichts.
    Die drei Kinder liefen aus dem Hause. Wakiya und Hanska nahmen ihre kleine Schwester rechts und links an der Hand, und so rannten sie, so schnell die kleine Kranke nur vermochte, in Richtung der weißen Berge. Sie rannten so schnell wie damals, als sie vor dem Feuer flüchteten. Zu Fuß war es aber ein langer Weg.
    Nach einer Stunde mußten sie haltmachen.
    Es schien sie niemand zu verfolgen. Das Ziel war klar. Wakiya wollte mit seinen Geschwistern heim zur King-Ranch. An das Pferd dachte er kaum mehr, da es für ihn größere Sorgen gab. Die Mutter war im Gefängnis! Im hellblauen Haus aber wohnte ein böser Mann.
    Als die Kinder die Höhen erreichten, war es schon Nacht geworden. Es war eine helle Sommernacht im Glanze von Millionen Sternen, und sie konnten ihren Weg finden, aber die kranke Schwester hatte keine Kräfte mehr. Die beiden Brüder suchten einen geschützten Fleck zwischen Fels- und Erdbrocken und Kiefernlatschen, und sie betteten die Schwester auf ihren Schoß. Zum erstenmal fanden sie Zeit und Atem, miteinander zu sprechen.
    »Hanska - wo sind dieser böse Mann und die alte Frau hergekommen?«
    »Ich kam heim, Wakiya-knaskiya, und da waren sie schon in unserem Haus.«
    »Und unsere Mutter?«
    »Sie war nicht mehr da. Aber sie war auch schon böse geworden und hatte unsere Schwester geschlagen.«
    »Unsere Mutter hat uns nie geschlagen.«
    »Nie, aber nun hatte sie es getan, weil der böse Mann sie mit einem bösen Geist verzaubert hat.«
    »Wo ist er hergekommen, und was will er denn bei uns?«
    »Er ist mit seiner alten Mutter hergekommen und wollte unser neuer Vater werden, und die Mutter hat ihm alles gegeben, alle die vielen Dollars, die sie für ihre Arbeit bekam, und er hat Brandy gekauft und hat mit ihr zusammen getrunken, und andere Männer sind gekommen und haben auch noch mitgetrunken.«
    »Woher weißt du das?«
    »Das hat mir die Schwester erzählt. - Und mich hat er geschlagen.«
    »Das habe ich gesehen. Ist

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