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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Büfett, wo er ein neues erhielt. Mr. Ball, der Klassenlehrer, der mit am Tisch saß, nickte Wakiya freundlich zu, doch wünschte sich Wakiya in diesem Augenblick nicht, von dieser Seite her in seinem Tun bestätigt zu werden. Es genügte, daß das Mädchen seine Hilfe angenommen hatte. Sie hatte nicht danke gesagt. Das war nicht indianische Sitte. Sie verhielt sich wie eine Indianerin.
    Nach dem Essen konnten die Schüler vor die Schule gehen, turnen, schaukeln oder das nahe Stauwerk besichtigen, das zu schwach war, um den dürren Wiesen einen Nutzen zu bringen.
    Rings um die Turngeräte stand ein Kreis von Buben. Auch ein paar Mädchen hatten sich eingefunden. Hanska turnte. Er war gewandt wie ein Artist. Die Kinder freuten sich und lachten bewundernd. Ein paar Buben versuchten, es Hanska gleichzutun. Aber Hanska blieb der Champion. Das Mädchen war nicht zu dieser Gruppe gegangen. Sie schaukelte auch nicht. Sie stand umher.
    Eine Freundin fand sich bei ihr ein. Die Freundin war klein, rund und lustig. Wakiya ging zu dem Stauwerk.
    Er merkte, daß die beiden Mädchen hinter ihm her kamen. Gewiß hatte die Kleine, Runde das bewerkstelligt. Sie war neugierig, ja -ihre Augen hatten es gesagt.
    Wakiya-knaskiya war ein Neuer in der Klasse. Die Kleine, Runde wollte ihn auskundschaften. Wakiya tat jedoch nichts, um dem entgegenzukommen.
    Er postierte sich an den Rand des Stauwerks, in dem das Wasser, trübe und niedrig stehend, sich selbst zum Ekel war, und gab sich ganz dem Schwirren der feinen Schwingungen hin, die ihm das Näherkommen der beiden Mädchen ankündigten.
    Die beiden stellten sich zwanzig Fuß entfernt ebenfalls an den Rand des Staubeckens.
    Vom Turnplatz her war das Jauchzen der Buben zu hören, die Hanska zuschauten.
    Das Mädchen, dessen Namen Wakiya noch immer nicht kannte, wollte weitergehen. Sie war wohl überhaupt nur der Freundin zu Gefallen zu dem Staubecken gekommen. Nicht um Wakiya willen. Wie sollte sie denn auch.
    Aber Wakiya faßte einen großen Entschluß.
    Langsam, ohne seine Zielrichtung zu verbergen, ging er auf die beiden Mädchen zu.
    Die, zu der er strebte, wollte sogleich ausweichen. Aber die kleine, runde Freundin vertrat ihr den Weg, so daß sie bleiben mußte, wenn sie sich nicht lächerlich machen wollte. Wakiya stand neben ihr.
    Da lief die Kleine, Runde fort.
    Wakiya-knaskiya und das unbekannte Mädchen waren allein miteinander am Randes des Staubeckens.
    Die Pause ging schon ihrem Ende zu.
    Aber daran dachte Wakiya nicht. Dies war nicht eine Minute, wie die Geister sie mit ihren Uhren maßen. Da waren nur zwei ganz junge Menschen, die beieinander standen und auf das graue, dicke Wasser schauten, das keiner Wiese helfen konnte zu grünen.
    »Du hast drei Fehler gemacht«, sagte Wakiya.
    Das Mädchen schrak zusammen. Ihre Wangen, die blaß gewesen waren, wurden heiß.
    »Das ist nicht viel«, beantwortete Wakiya den stummen Schrecken.
    Sie schüttelte den Kopf. »Es ist viel.«
    Das waren die ersten Worte, die Wakiya von ihr hörte, und er wußte nun, daß ihre Stimme dunkel und ruhig war.
    »Warum nennst du es viel? Mister Ball wird nicht schelten. Er wird dir deine Fehler erklären. Er ist gut. Beinahe nicht wie ein Geist, sondern wie ein Mensch.«
    »Mein Vater ist streng.«
    »Sieht er in deine Hefte?«
    »Mein großer Bruder sieht in meine Hefte.«
    »Macht er keine Fehler?«
    »Nein.«
    »Ich mache auch keine Fehler.«
    Wakiya wurde von dem Gefühl beschlichen, daß ein Bruder, der diesem Mädchen Rechtschreibefehler aufrechnete und sie wohl gar dem Vater anzeigte, ein schlechter, ein bösartiger Bruder sein müsse. Er, Wakiya, hatte einen solchen Bruder unbedingt zu übertreffen. Nicht nur durch Güte. Auch in der Orthographie.
    »Du bist Byron Bighorn«, sagte das Mädchen.
    »Das bin ich. Wakiya-knaskiya Byron Bighorn. Der dort turnt, ist mein Bruder Hanska. Er kann etwas, nicht?«
    »Ja.«
    »Ich kann nicht so gut reiten und turnen wie er.«
    »Das brauchst du nicht, Wakiya-knaskiya Byron Bighorn.«
    Wakiya hörte zum erstenmal, wie das Mädchen seinen indianischen Namen aussprach. Er wollte davon träumen.
    »Warum... warum... brauche ich das nicht?«
    Die Klingel schrillte.
    Die Kinder eilten in die Schule zurück.
    Als der Lehrer in die Klasse eintrat, standen sie alle wie Zinnsoldaten neben ihren Tischen und Stühlen. Indianerkinder mußten gehorchen.
    Wakiya-knaskiya gab sehr gute Antworten. Er hatte die Empfindung, daß sie nicht nur vom Lehrer aufmerksam

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