Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen
Crazy Eagle versuchte, ein Bollwerk der Vorsicht zu errichten. »Du wirst eröffnen, Joe!«
»Das ist Sache der alten, ehrenwerten Männer. Ich bin weder das eine noch das andere.«
Queenie holte Luft, um sich selbst Mut zu machen. »Reiten solltest du nicht, Joe!«
»Hat dir das Doc Eivie gesagt?«
»Ich gestehe, Mister King, ich bin schuldig. Kommen Sie lieber zu einer Röntgenaufnahme.«
»Mir ist so, Doc, als ob ich das Wort Röntgen vor drei Jahren schon einmal gehört habe. Aber ich bleibe unverbesserlich.«
»Warum eigentlich?«
»Ich bin ein Indianer.«
»Also ein Mensch, der sich beherrschen kann.«
»Ja. Ich werde den Ritt durchhalten. Die Zeit jedenfalls.«
Queenie kehrte sich das Innere nach außen, seelisch und fast auch körperlich. »Joe! Bronc sattellos! Mußt du dich ruinieren? Du fährst doch nicht aus deiner alten Haut heraus.«
»Ich habe mich gehäutet, Queenie. Aber auch die Schlange schmückt ihre neue Haut immer wieder mit dem alten Muster. Ich die meine mit Muster und Narben. Geht es dir anders? Du behältst recht, und ich reite. Für die King-Ranch und für meine Schüler!«
»Aber nicht für mich, Joe, und nicht für die Kinder.«
»Wie du es nehmen willst, Tashina.«
Tashina lauschte auf den Ton. Sie bereute ihre Worte und schwieg.
Die Männer erlaubten Robert, noch einmal zu sprechen.
»Joe! Wenn ich einen Preis gewinne und wenn du mich dann haben willst, werde ich Lehrling auf deiner Ranch. Um Plätze auf der Schulranch bewerben sich schon wieder fünf, die jetzt das Baccalaureat gemacht haben. Gefangen habe ich sie mit deinem Namen, Joe Inya-he-yukan King! Für dich sind sie begeistert.«
Joe lächelte vor sich hin. Was Robert gesagt hatte, war Öl auf alle Wunden. Auch wenn Joe selbst und andere noch Salz hineinstreuten, konnte es nicht mehr so stark brennen. Joe betrachtete Robert freundlich.
»Mir bist du willkommen, du wilder Bursche.«
Am letzten freien Tag vor dem Schulbeginn fanden sich alle, die zu der King-Ranch, der Booth-Ranch und der Schulranch gehörten, bei Sonnenuntergang in dem großen Zelt des alten Inya-he-yukan zusammen.
Das neue Grizzlybärenfell war gereinigt und ein erstes Mal bearbeitet, wenn auch noch nicht gegerbt worden; es lag an diesem Abend schon auf dem Zeltboden. An einer Stange hing das Elchgeweih. Die Flämmchen leckten an den knisternden Zweigen, das Fleisch röstete. Die Zwillinge saßen bei Hanska und Wakiya. Sie hatten nach der Geburt als Taufnamen die Namen ihrer Paten Harry und Mary erhalten. Jetzt erhielten sie neue Namen dazu: Der Bub wurde Kte Ohitaka genannt, Tapferes Herz. Das war der Name von Wakiyas und Hanskas verstorbenem Vater. Der Name sollte weiterleben und geehrt sein durch einen mutigen Jungen. Das Mädchen erhielt den Namen Rotadler, Wable luta win, damit die Erinnerung an Rotadlermädchen lebendig bliebe. Untschida erklärte den Kindern die Namen, und sie horchten auf die Stimme der Urgroßmutter. Wenn sie auch noch nicht alles verstehen konnten, so hafteten doch die Worte in ihrem Gedächtnis; die Worte waren wie Schalen, die sich mehr und mehr mit Sinn füllen konnten. Die kleinen Kinder hörten auch alte Geschichten und Jagdgeschichten, die ihnen Wakiya und Hanska erzählten, wie Mutter Eliza sie einst ihren Kindern erzählt hatte, und Augen und Mund standen ihnen vor Erstaunen offen.
Als die Gäste gingen, begleiteten die Zeltbewohner sie hinaus auf die Wiese. Mondstrahlen flossen über die weißen Felsen.
Im Tal weideten die Büffel. Joe Inya-he-yukan King atmete die Ruhe ein. Er schaute ohne Scham und ohne Bitterkeit zu den Felsen und in das milde Licht. Wo die großen Toten und der Sturm in ihm selbst aufgehört hatten, konnte er neu beginnen.
Im Zelt schlummerten die Zwillinge. Wakiya und Hanska schliefen zusammen auf dem Bärenfell, wie sie es sich gewünscht hatten. Inya-he-yukan sang ein altes Liebeslied für seine Frau und hielt ihre Hand, wie die Worte des Liedes sagten; kein Tabu trennte die beiden mehr. Untschida sang das Bärenlied und versöhnte den Geist des großen Grauen, der sein Leben hatte lassen müssen. Sie sang ihm das Lied von der Großen Bärin, der Ahnmutter des Stammes, deren Sohn ein Mensch geworden war.
Voller Frieden schlummerte endlich auch Untschida ein. Die Träume von Inya-he-yukan, dem Stein mit Hörnern, und Tashina, der Schutzdecke ihres Mannes und aller ihrer Kinder, begleiteten die schlafende uralte Frau mit sanften Schwingen in das Auslöschen ihres Lebens.
Als sie
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