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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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setzte sich der alte Mann mit dem Kind.
    Wakiya hatte den Alten schon vorsichtig gemustert. Er war weißhaarig, hatte blaue Augen, und seine welke Haut war hell, wie sie bei einem Geist sein sollte. Er war groß, wenn auch nicht so groß wie der alte Geheimnismann, den Wakiya noch gekannt hatte.
    »Byron Bighorn, du möchtest Blut abwischen. Das ist freilich eine schwere Sache. Das kann nur Gott allein, den du Wakan-tanka nennst.«
    »Kann er es wirklich?«
    Der alte Mann erschrak.
    »Er kann alles.«
    »Aber wenn das Haus verdammt ist?«
    »Niemand kann verdammen außer Wakantanka selbst.«
    »Und wenn er verdammt hat?«
    »So vermögen wir nichts dagegen zu tun außer zu beten.« »Aber er selbst?«
    »Er kann verdammen, und er kann Gnade schenken.« »Was ist das?«
    »Er kann das Blut abwischen.«
    »Es ist ein großes Geheimnis. Warum verdammt er?«
    »Wenn einer eine ganz böse Tat getan und böse Gedanken gehegt hat.«
    Wakiya schüttelte den Kopf. »Das willst du nicht glauben?« Wakiya schüttelte wieder den Kopf.
    »Kannst du mir erklären, Byron Bighorn, warum das so schwer zu verstehen ist?«
    »Ich habe nicht immer die Worte, die ich sagen will. Aber vielleicht kann ich es dir sagen, wenn du genau aufmerkst. Ich weiß nicht, ob Wakantanka euer Gott ist. Vielleicht ist er es geworden. Gegen uns ist er nicht mehr gerecht. Ihr dürft uns alles nehmen, und er verdammt euch nicht.«
    »Wir versuchen, Buße zu tun und euch vieles wiederzugeben. Wir geben euch den Glauben, und wir geben euch Wissen, und wir geben euch Straßen, und wir geben euch Häuser.«
    »Aber wenn ein Mensch verdammt ist, ist er erst verdammt, und dann tut er das Böse.«
    »Aber nein, Byron Bighorn, das ist heidnischer Aberglaube.«
    »Ich habe es bei euch gelernt, und die Mutter hat es auch bei euch gelernt. Euer Gott straft den Vater, den Sohn und dessen Sohn und wieder dessen Sohn. So steht es bei euch geschrieben.«
    »Wenn der Ahne eine böse Tat getan hat.«
    »Aber der Sohn hat sie nicht getan.«
    »Das ist der Fluch.«
    »Wie kann man einen Fluch aufheben?«
    »Das kann nur Gott, den ihr Wakantanka nennt.«
    Der Kreis war geschlossen.
    »Du mußt beten, Byron Bighorn.«
    »Der Alte hat gebetet. Hast du viel Kraft?«
    »Ich habe keine Kraft. Die Kraft ist bei Gott.«
    Wakiya gab es auf. Er betrachtete den gelben und den roten Sand.
    »Wessen Blut willst du abwischen, Byron Bighorn?«
    Nun wurde dieser alte Geist noch neugierig.
    »Die Mutter hat einen Hund geschlachtet.«
    »Hast du den Hund so gern gehabt?«
    »Wir haben ihn aufgegessen.«
    »Ja, du willst nun nach Hause gehen, Byron Bighorn, nicht wahr?« »Ja.«
    Wakiya lief los. Er blieb wieder allein mit seinem Traumbild, mit seinen Rätseln und seinem Grübeln, mit seiner Liebe und mit seinem Haß. Er sprach mit niemandem mehr über das, was ihn Tag und Nacht verfolgte. Inya-he-yukan war verloren! Die Geister waren daran schuld. Es gab keinen Gott gegen sie.
    Der Winter brach herein. Es wurde ein harter Winter. Viel Schnee fiel. Wakiya mußte wieder lange Zeit der Schule fernbleiben. Die Mutter hatte noch Vorräte ins Haus geschafft, so daß sie mit Wakiya und der kleinen Schwester nicht zu verhungern brauchte, wenn auch alle darbten.
    An Tagen, an denen der Schnee fest genug lag und die Straße nicht verweht war, nahm sie die Schneereifen und wagte sich bis zum Laden der Agentursiedlung.
    Einmal hatte sie dort Inya-he-yukan gesehen, der ebenfalls eingekauft hatte.
    »Er hat lange Bretter an den Füßen; damit fliegt er über den Schnee wie ein Vogel. Er hat immer das Neueste. Einen Brunnen hat er jetzt auch. Ein Indianer einen Brunnen! Das Wasser fließt. Sie haben Geld, die Kings. Inya-he-yukan hat zwei Geister gefunden, die verlorengegangen waren. Dafür hat er viel Geld bekommen. Er wird noch so reich werden wie die Wirbelwinds.«
    Die Mutter packte ihren Sack aus.
    Ob Geld und Wasser Blut abwischen konnten? Wakiya dachte über neue Fragen nach.
    Die Schule wurde ihm immer gleichgültiger, weil er keine Hoffnung mehr hatte, das Klassenziel zu erreichen. Lehrer und Schüler wußten, Wakiya selbst wußte, daß er sitzenbleiben würde.
    Wakiya graute es davor, weil er dann wieder unter fremde Kinder kam, vor denen er sich scheute, und weil er ein Jahr länger in die Schule gehen mußte. Die Mutter war nur drei Jahre in die Schule gegangen. Wie gut hatte sie es gehabt - trotz des großen Stocks. Wakiya interessierte sich nicht mehr für die Schule. Auf seine Fragen konnte

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