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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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sie ihm keine Antwort geben. Er gewöhnte sich in den langen Schneeferien daran, auf der Schlafstatt zu liegen, zu denken oder auch gar nichts mehr zu denken und nur nach der gelben Decke im Innern des hellblauen Bretterhäuschens zu starren. Es war nicht so kalt in dem Hause, wie die Mutter gefürchtet hatte; die doppelten Wände schützten fast so gut wie Balken.
    Die kleine Schwester spielte mit einer Puppe, die die Mutter ihr gemacht hatte.
    Als der Schnee zu schmelzen begann, mußte Wakiya wieder in die Schule gehen. Er konnte dem Unterricht kaum mehr folgen, auch wenn er es sich vornahm. Seine schriftlichen Arbeiten waren ungenügend. Er schämte sich vor den anderen Schülern. Still und verzweifelt saß er an seinem kleinen Tisch in der ersten Reihe, rechts außen.
    In dieser Zeit der Nässe und des Schneematsches sah er Tashina wieder einmal. Sie wurde auf einer Bahre in das Krankenzimmer getragen. Matt und blutleer sah sie aus; ihre Hände waren weiß wie weißer Stein. Wakiya hörte die Stimme der Rektorin.
    »Wir müssen Mister King verständigen. Ein Herzanfall.«
    Wakiya trieb sich nach Schulschluß noch umher. Er wollte sehen, ob Inya-he-yukan zu Tashina kam, ehe sie vielleicht starb.
    Es ging gegen Abend, als ein Sportcabriolet mit großer Geschwindigkeit die letzte Kurve nahm und vor dem Schulgebäude stoppte. Joe King sprang heraus und schlug hinter sich die Tür klappend zu. Er eilte in das Haus.
    Wakiya sah den Wagen stehen und schaute dem Mann nach, der hinter der großen Eingangstür verschwunden war. Joe trug nach seiner Gewohnheit den schwarzen Cowboyhut und jetzt im Winter über dem dunklen Hemd die Jacke. Es war noch die gleiche Jacke, in die er Wakiya gebettet hatte, als dieser von der Flucht und den Tagen in der Sandkuhle völlig erschöpft gewesen war.
    Wakiya ging nicht zu dem schnellen Wagen hin, wie wohl jeder andere Junge getan hätte. Er wollte Inya-he-yukan nicht in den Weg laufen. Sicher hätte ihn dieser ein Stück im Wagen mitgenommen. Aber der Mann mußte sich nun um seine Frau kümmern, und Wakiya war scheu. Der Bub beobachtete noch, wie Inya-he-yukan Tashina aus der Schule führte und sorglich in den Wagen setzte. Der Motor sprang leise an, und das Cabriolet fuhr weg. Wakiya blickte hinterher, bis es nicht mehr zu sehen war. Dann lief er heim und kam noch viel später als sonst bei der Hütte an.
    Inya-he-yukan besaß einen Brunnen, Ski, Pferde, einen Wagen und Geld.
    Die Mutter hatte gesagt, daß ihm niemand helfen könne. Wer hatte ihm geholfen? War der Fluch gelöst? Oder galten Brunnen, Ski, Pferde, ein Wagen und Geld nichts vor der Verdammnis?
    Wakiya vertraute seine Fragen niemandem mehr an.
    Er lief täglich zur Schule, blieb ein schlechter Schüler und war abends todmüde. Margot Adlergeheimnis kam noch in jedem Monat einmal zu der Schule und sah auch nach Wakiya. Sein Leiden hatte sich im Krankenhaus gebessert. Schwere Anfälle waren nicht mehr eingetreten. Leichte kamen jetzt wieder öfter. Aus einem Gespräch der Rektorin mit Frau Margot erfuhr Wakiya, daß Tashina wieder gesund war und daß sie bald ein Kind erwartete.
    Inya-he-yukan würde einen eigenen Sohn haben. Irgendein letztes Band zerriß in Wakiya; er wußte selbst nicht, woraus es gewebt gewesen war.
    Am Ende des Schuljahres erfuhr er, daß er sitzenbleiben würde und die dritte Klasse wiederholen müßte. Er nahm es äußerlich ruhig hin. Aber sein Herz klopfte vor Aufregung und Scham, und als er heimgekommen war, schlich er sich wieder einmal an seinen alten Platz, wo alle Erinnerungen verbrannt waren. Der alte Hund, der zu zähe war, um aufgegessen zu werden, kam zu ihm und legte sich auf Wakiyas nackte Füße.
    Wakiya weinte bitterlich.
    Zwei Tage später kam der Bruder aus dem Schulinternat in die Ferien heim. Er war rund, hatte ein gutes Zeugnis und war zu Streichen aufgelegt. Doch erklärte er entschlossen, daß er nie mehr in das Schulheim zurückkehren werde. Lieber wollte er täglich mit Wakiya den langen Weg laufen.
    Die Mutter war einverstanden.
    Da der Bub immer wieder drängte und die Mutter seinen Wunsch selbst vernünftig fand, machte sie wieder einmal den langen Weg zur Agentursiedlung und zum Stammesrat. Sie nahm die beiden Brüder mit.
    Der Stammesrat hatte seinen Amtssitz in einem der Holzhäuser an der Agenturstraße; ein kleiner Garten lag davor. Das Haus war einmal weiß gestrichen worden. Eliza wartete mit ihren Kindern, dann wurde sie zu dem Ratsmitglied für Schulwesen Bill Temple

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