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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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gleiche Schule gegangen, in deine Schule, Wakiya-knaskiya, nur in verschiedene Klassen. Harold Booth, Inya-he-yukan und Tashina. Die beiden Burschen haben Tashina geliebt und sich um sie geschlagen. Sie liebte in Wahrheit Inya-he-yukan, aber mit Harold hat sie gespielt und auch ihm ihre schönen Augen gezeigt.«
    »Tun das Mädchen oft?«
    »Manche tun es.«
    »Susanne Wirbelwind.«
    Die Mutter lächelte. »Ja, Susanne. Liebe sie nicht, Wakiya, denn sie wird dich nie zum Manne nehmen. Ihr Vater hat eine große Ranch.«
    »Ich kann dir nicht versprechen, Mutter, daß ich sie nie lieben werde. Es ist noch nicht entschieden.«
    »Aber Harold wollte die schöne Tashina zur Frau haben, und es kam ihm wohl nie der Gedanke, daß Tashina nicht ihn, sondern den Sohn eines Säufers und einer Mörderin lieben würde. Er wollte die schöne Tashina auch darum zur Frau haben, weil sie Malerin wurde und schon gut verdiente. Aber Tashina nahm Inya-he-yukan. Da fing Harold selbst an zu trinken und stahl Inya-he-yukan die Pferde. Aus Rache und um des Geldes willen. Ja.«
    »Was haben Harold und Tashina miteinander gesprochen, ehe Tashina Harold erschoß?«
    »Das weiß kein Mensch, Wakiya-knaskiya. Er wollte sie aber noch mit Gewalt zu seiner Frau machen. Darum hat sie ihn erschossen, und niemand bestraft sie dafür. Es ist ein verfluchtes Haus, denn das Blut des alten Vaters klebt daran, und Inya-he-yukan hat auch keine reinen Hände. Blut braucht neues Blut. In dem Hause werden sie nie zur Ruhe kommen.«
    »Inya-he-yukan hat uns in der Sandkuhle gefunden, als der Durst uns schon zu töten begann.«
    »Wakiya, er ist unser bester Reiter und unser bester Schütze. Er ist besser als alle die anderen. Aber er ist ein Mensch und auch ein Geist, Inya-he-yukan und Joe King. Er ist nicht so rund wie Tashina, sondern ein zackiger Stern, und an dem Hause und an seinen Händen klebt Blut. Ich sage dir das, Wakiya, weil ich weiß, daß du in vielen Nächten von ihm träumst. Er ist aber ein Mensch, dem niemand helfen kann, denn das Haus ist verflucht, und Blut kann keiner abwischen außer mit Blut. Nun hat Tashina den Nachbarsohn Harold Booth erschossen. Hau.«
    Das war die längste Rede, die Wakiya-knaskiya je von seiner mürrischen und schweigsamen Mutter gehört hatte. Die beiden saßen noch bis in die Nacht hinein auf der Schwelle des hellblauen Hauses und schauten über Wiese und Hügel zu den Sternen hinauf und zum Mond, der sein Gesicht nur wie eine dünne Sichel zeigte.
    Als die beiden schlafen gegangen waren, träumte Wakiya und schrie laut den Namen Inya-he-yukan.
    Am frühen Morgen schlief er endlich ruhig. Die Mutter konnte ihn nur mit Mühe wecken. Er aß kaum etwas und machte sich auf den Schulweg. In den Unterrichtsstunden paßte er weniger als je auf.
    »Byron Bighorn! Was habe ich gefragt?«
    Miss Gish sprach ärgerlich und streng.
    Wakiyas Gesicht wirkte völlig abwesend.
    »Byron Bighorn! Weißt du nicht, was ich gefragt habe?«
    Wakiya blieb stumm; er schien nicht dazusein.
    Die anderen Kinder schauten auf ihre Tische. Sie schämten sich für Wakiya, er tat vielen leid; einige unterdrückten ein Kichern. Alle fürchteten, daß wieder einmal ein Strafgericht hereinbrechen würde.
    »Byron Bighorn! Woran denkst du überhaupt? Antworte mir.«
    Wakiya war es schwindlig zumute, wie in Nebeln auf einem schmalen Grat. Er hatte nichts begriffen als die letzte Frage, und er antwortete, weil seine Gedanken ihn sehr bedrängten und weil er auch schon wieder vergessen hatte, daß es Miss Gish war, die ihn fragte:
    »Womit kann man Blut abwischen?«
    Miss Gish glaubte, nicht recht gehört zu haben.
    »Byron Bighorn! Woran denkst du überhaupt?«
    »Gibt es das, >verdammt    »Byron Bighorn, setze dich hin und passe von nun an besser auf. Ich werde mit deinem Pfarrer sprechen. Die Wege, auf denen deine Gedanken gehen, sind ja nicht mehr normal.«
    Wakiya gehörte wie alle Kinder auf der Reservation einer Kirche an. Die Mutter hatte ihn aber nur sehr selten mitgenommen, denn auch der Weg dorthin war weit.
    An einem der nächsten Tage kam ein alter Pfarrer in die Schule. Er holte sich Wakiya nach der letzten Stunde, als die anderen Kinder zum Schulbus eilten, und setzte sich mit ihm in den Schulgarten hinter das Haus. Das Gras wuchs hier als dichter Teppich. Die Blumen waren längst abgeblüht. Die schmalen Wege waren mit Sand aus roter und gelber Erde bestreut. Eine einzige Bank stand da, und auf diese

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