Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen
schaut, horcht und aufnimmt. Er sprach kaum ein Wort, aber er hörte alles.
Einen herbstlichen Tag hindurch - es war ein Sonntag - saß er mit im Zelt bei dem Alten, dem Ahnen von Inya-he-yukans Mutter, der aus dem Reiche des Nordwinds zurückgekommen war und sein Tipi mitgebracht hatte. Wakiya betrachtete ihn ohne Neugier, mit Ehrfurcht. Inya-he-yukan war ein Häuptlingsname. Der Alte hatte ihn als erster gewonnen in jenen Tagen des Hungerns, Durstens und Nachdenkens, in denen er die Weihe der Mannbarkeit erhielt. Er hatte diesen Namen mit Ehren getragen. Alle späteren, die seinen Namen erhielten, mußten sich dessen würdig erweisen. Der Alte war wie ein Häuptling gekleidet, mit einem reichgestickten Rock, dessen Blutflecke eine eigene Geschichte bezeugten, mit den Leggings, deren Nähte mit Skalphaaren dicht besetzt waren, mit einem Gürtel, dessen Wampumsprache Wakiya noch nicht verstand. Der Alte trug die Krone und Schleppe aus Adlerfedern; er trug sie mit noch immer aufrechtem Haupt und aufrechten Schultern. Auf dem Boden lagen ein Bärenfell, ein riesiges Fell, Beute seines Vaters Mattotaupa, und das dunkle Fell des Büffelstiers, den er selbst mit dem Messer erlegt hatte. Das alles wußte auch Wakiya. Er sah das Messer, von dem Inya-he-yukan der Jüngere gesprochen hatte. Der Griff war kunstvoll als Adlerkopf geschnitzt. Die Form der ledernen Scheide verriet die Form der Klinge. Es war ein besonderes Messer, zweischneidig, spitz, lang. Das konnte eine starke Faust wohl einem Büffel in den Nacken stoßen.
Andere Waffen hatte der Alte nicht bei sich.
Er hatte einhundertundzwölf Winter und Sommer gesehen. Aber nun wollte er heimgehen zu seinen Vätern; er wollte sich auf den langen Weg machen, den ihm seine Väter vorangegangen waren.
Es war der letzte Tag seines Lebens. Das hatte er allen gesagt, die mit in dem Zelte saßen, das sich der alte Häuptling neben dem Holzhaus der Jüngeren aufgebaut hatte. Auch Wakiya hatte gehört, daß Inya-he-yukan der Alte sich an diesem Tage noch aufmachen wollte, um den langen Weg zu seinen Vätern heimzugehen.
In dem Antlitz des Alten war nichts Weiches mehr. Leiden und Anstrengungen hatten es ausgefressen wie wühlende Wasser den Stein, bis nur geblieben war, was allem hatte widerstehen können.
Aber in den Augen lag noch immer der Glanz, der ein Lächeln schön macht; die Stirn verriet Gedanken, die auch in der Finsternis der Niederlage nicht ruhten, und um den Mund hatte der Wille seinen Zug geprägt.
Wakiya hatte die Größe und Kraft seiner Ahnen noch einmal lebendig vor sich.
Die Weihe des ruhigen Abschieds lag über dem Alten, der allen Verlust bewältigt und alles hergegeben hatte, auch seine Heimat am breiten Plattestrom und zu Füßen der Black Hills. Nur seine Freiheit hatte er nicht aufgegeben und war um ihretwillen weit hinauf über den Minisose nach Norden gewandert, und die Hoffnung auf einen Sohn, der seines Namens würdig sein konnte, hatte er festgehalten, und um ihretwillen war er zu dem Tal der weißen Felsen zurückgekehrt.
Er hatte den Sohn gefunden, den er gesucht hatte. Inya-he-yukan der Jüngere saß an seiner Seite, gleich hoch gewachsen, gleich hoch die Stirn über dem schmalen, schon ausgemergelten Gesicht, gleich dunkel die Augen wie die Nacht, in die geheimnisvolles Licht einstrahlt, gleich hart der Mund, der nur noch selten lächelte. Auch Inya-he-yukan der Jüngere trug an diesem Tage alte Häuptlingskleidung, die vom Großvater auf den Vater und vom Vater auf ihn gekommen war. Um Hals und Brust lag die Kette aus Krallen und Zähnen des Grizzlybären, die ihm Inya-he-yukan der Alte nach dem Sonnentanz geschenkt hatte. Aber die Adlerfederkrone seiner Väter hatte Inya-he-yukan der Jüngere nicht aufs Haupt genommen, denn sie gebührte ihm noch nicht.
In der Scheide steckte das Stilett.
Wakiya saß bei seinem neuen Vater Inya-he-yukan dem Jüngeren auf dem Bärenfell. Er schaute auf den Wampumgürtel des Alten.
Der Alte erkannte die Frage und antwortete auf seine Weise, indem er den Gürtel löste und ihn seinem Wahlsohn Inya-he-yukan dem Jüngeren gab, der das stumme Vermächtnis annahm.
Es wurde an diesem Tage kein Wort gesprochen, nichts gegessen und auch nichts getrunken.
Nur die unwissenden Zwillinge, Inya-he-yukans und Tashinas leibliche Kinder, sättigten sich an der Mutterbrust.
Tashina saß ihrem Manne gegenüber, still, mit einer leuchtenden Blässe und Schönheit wie der Mond und
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