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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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für Wakiya noch rätselhaft wie dieser. Sie hatte Untschida zur Seite, Mutter ihres Vaters, eine Frau mit grauem dünnem Haar. Ihre Züge waren streng, ihre Augen gütig.
    Wakiya war an einem feierlichen Tag in einer neuen Welt. Als der Abend kam, verließen Inya-he-yukan und Tashina mit dem alten Häuptling das Zelt. Auch Wakiya ging hinaus. Er blieb bei dem Tipi stehen und schaute den drei Menschen nach, die langsam hinaufschritten zu der Höhe und von dort lange hinüberschauten zu den weißen Felsen, dem Grabmal über einem unbekannten Grabe.
    Dann ließ sich der alte Häuptling auf der Höhe nieder. Sein Körper sank langsam zurück in die Arme Inya-he-yukans und Tashinas.
    Er hatte die Stunde seines Todes gewußt und gewollt.
    Wakiya hielt die Hand vor den Mund und betete zu dem Großen Geheimnis. Er konnte nicht denken oder sagen, warum. Er fühlte diesen Abschied nur als Weihe und wollte nicht vergessen.
    In der Nacht wurde der Tote in seinem Tipi aufgebahrt. Alle sahen ihn noch einmal. Er lag auf dem Fell des Bären, bedeckt mit einer alten, abgebrauchten büffelledernen Decke, auf der die Taten seines Vaters in Bildern verzeichnet waren. Aus seinem Antlitz war die Spannung gewichen. Die Hoheit des Besiegten und doch nicht Besiegten erfüllte es ganz.
    Inya-he-yukan der Jüngere blieb im Tipi bei dem Toten. Die beiden Frauen und die Kinder schliefen in dem Blockhaus.
    Am nächsten Morgen schon griff das Leben nach Wakiya, bunt, fordernd, rücksichtslos und selbstbewußt. Tashina brachte ihn mit dem Wagen bis zu der Stelle, wo der Schulbus ihn aufnehmen konnte.
    Wakiya saß zwischen Buben und Mädchen, sprang mit ihnen auf dem großen freien Platz vor der Schule aus dem Bus hinaus, lief durch die große Tür und nahm in der vierten Klasse seinen Platz in der hintersten Reihe ein. Mit heißem Kopf merkte er auf, was Lehrer und Lehrerinnen Stunde um Stunde vortrugen und fragten. Es war schwer für ihn mitzukommen. Doch überwand er sich selbst und blieb aufmerksam. Er wollte lernen, was die Geister konnten, um ihnen gewachsen zu sein. Das war die ernsteste Ehre, die er einem großen Toten erweisen konnte. So hatte Inya-he-yukan gesagt.
    Nachmittags holte dieser den Bub am Bus ab. Inya-he-yukan ritt den Schecken ohne Sattel und nahm Wakiya vor sich. Der Bub hatte bis zu diesem Tage erst wenige Male auf einem Pferd gesessen; zum Schulbus war er bisher mit Untschida auf einer sanften gesattelten Stute geritten. Jetzt mußte er sich bald an der Mähne, bald an dem großen Reiter festhalten. Es ging Wakiya in diesen Tagen aber gesundheitlich besser, als jemand hätte vermuten können, und er freute sich bei aller Anstrengung, daß er auf dem Rodeopferd ritt in leichtem, schwingendem Galopp.
    »Du wirst noch einen Preis in Bronc sattellos gewinnen, Wakiya-knaskiya, wenn du so weitermachst.«
    Inya-he-yukan sagte es, als Wakiya auf dem glatten Pferderücken wieder einmal erheblich zur Seite gerutscht war.
    Der Bub gewann wieder das Gleichgewicht, und zum erstenmal tat er recht den Mund auf.
    »Hast du auf diesem Mustang in Calgary gesiegt, Inya-he-yukan?«
    »Nein, mein Sohn, in Calgary mußte ich von diesem Mustang abgleiten, weil sie die Verschlagtür für den gescheckten Teufel nicht schnell genug geöffnet hatten. Er ging zu Boden und quetschte mich dabei gegen die Bretter. Es war nicht nur unschön, es war eine Schande.«
    »Aber wie hast du dann gesiegt?«
    Inya-he-yukan nahm eine Hand vom Zügel und hielt Wakiya fest, denn das Gelände wurde stark wellig, und der Pferderücken wand sich allzu geschmeidig auf und ab.
    »Gesiegt habe ich auf einem anderen Pferd. Es war ein Wunder, daß die Preisrichter es mir überhaupt gaben. Aber der alte Donald ist gerecht und ein Freund unserer Verwandten in Canada, die Bucking Horses züchten.«
    Der Ritt ging weiter.
    »Meinst du, Inya-he-yukan, daß ich diesen Schecken einmal reiten lerne?«
    »Nein, mein Sohn, das lernst du nie. Untersteh dich auch nicht, mit diesem Tier herumzuspielen. Inya-he-yukan, unser Ahne, hatte einst einen solchen Mustang wie diesen, ein Falbe war es, und der Mustang tötete seinen Sohn, als er ihn heimlich zu reiten versuchte.«
    Wakiya sagte nichts mehr.
    Als die beiden zu Hause ankamen, kehrte Tashina eben mit dem Wagen zurück.
    In ihrer Miene malte sich leichter Schrecken.
    »Joe! Das Kind auf diesem Pferd!?« Joe musterte den verstaubten Wagen. »Warst du bei Elk, Queenie?«
    Die junge Frau schlug die Augen nieder. »Ja. Er soll es sein,

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