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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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richtigen Klasse. Du darfst in der vierten Klasse weiterlernen. Du wirst bei uns wohnen. Wir bringen dich jeden Tag zum Schulbus. Du wirst wieder gut lernen.«
    Wakiya gab sich dem Traum hin. Ihm war benommen zumute.
    »Du wohnst bei uns. Aber du kannst deine Mutter und deinen Bruder und deine Schwester besuchen, wann du willst, und ihnen Geschenke bringen. Willst du mit mir kommen?«
    Wakiya nickte stumm und folgte dem leichten Druck der Hand.
    Er konnte es noch nicht begreifen, aber es war so. Inya-he-yukan, der beste Reiter und beste Schütze, Inya-he-yukan, der durch den Sonnentanz gegangen war, holte sich Wakiya-knaskiya, den Kranken, den Sitzenbleiber, wie ein Vater seinen Sohn heimholt.
    Wakiya ging mit.
    Inya-he-yukan und die Rektorin brachten ihn in die vierte Klasse, wo jetzt die Kinder saßen, die ihn aus der dritten Klasse kannten.
    Am Platz des Lehrers hatte hier Mr. Ball gesessen. An einem Ständer hing eine große Karte. Lehrer Ball war schon aufgestanden, ehe die Tür wieder ganz geschlossen war.
    Alle Kinder hatten sich mit erhoben und standen wie kleine Statuen neben ihren Plätzen. Aber beim Aufstehen war etwas mehr Geräusch entstanden als üblich, denn die Überraschung war zu groß gewesen. In den hinteren Reihen waren noch Plätze frei. Wakiya durfte sich dorthin setzen.
    Lehrer Ball warf einen Blick auf die Rektorin und war schnell gefaßt, obgleich hier die Beschlüsse der Lehrerkonferenz offenbar umgestoßen wurden.
    »Sie haben die Klasse, Mister Ball. Vielleicht können Sie es mit Byron Bighorn doch noch einmal versuchen? Seine häuslichen Verhältnisse werden jetzt günstiger sein, und er kann zur Schule fahren...«
    Lehrer Balls Mienen wurden sehr freundlich. Er lächelte Joe King zu.
    »Sie waren als mein Schüler immer gut in Geographie, Mister King - Byron Bighorn!«
    Wakiya erhob sich von seinem Platz.
    »Byron, komm her. Zeige mir auf der Karte die Black Hills.« Wakiya holte sich den langen dünnen Stock und zeigte richtig. »Wie heißen diese Berge in deiner Sprache?« »Che sapa.« »Was heißt das?« »Black Hills.«
    »Richtig. - Wo liegen die Rocky Mountains?«
    Wakiya fuhr mit dem Stock den Zug dieses Gebirges von Norden nach Süden nach.
    »Zu welchen Staaten gehören diese Berge?«
    »Zu den Vereinigten Staaten von Amerika und zu Canada.«
    »Aber das Gebirge zieht sich doch noch weiter nach Süden. Siehst du das nicht auf der Karte?«
    »Ich sehe es. Aber dort trägt dieses Gebirge andere Namen.«
    »Gut, Byron, gut.«
    Wakiya stellte den Zeigestock wieder ab und ging zu seinem Platz zurück. Die Mitschüler hatten sich von ihrem Staunen noch nicht erholt.
    Die Rektorin und Joe King grüßten Mr. Ball und verließen das Klassenzimmer wieder.
    Nachmittags, als der Unterricht endete, fand Wakiya auf dem Platz vor dem Schulgebäude das Sportcabriolet, in dem Inya-he-yukan auf ihn wartete.
    »Heute fahre ich dich noch den ganzen Weg. Morgen hast du deinen Platz im Schulbus bis zu unserem Tal.«
    Wakiya stieg ein.
    Am Steuer sah er Inya-he-yukans Hände spielen. Sie führten das Lenkrad so leicht und so sicher wie den Zügel.
    Der Sportwagen überholte den Schulbus. Wakiya-knaskiya, der bisher immer hinter den anderen Kindern hatte zurückbleiben müssen, fuhr ihnen jetzt voran.
    An der Kreuzung zu dem Tal der weißen Felsen bog Inya-he-yukan ab. Die Fahrt ging jene Straße entlang, die Wakiya mit fünf Jahren als erste Straße gesehen und die ihn wie eine feindliche Schlange erschreckt hatte. Er hatte diesen Schrecken auch darum nie verloren, weil viele seines Stammes eine tiefe Unruhe befiel, wenn sie die Straßen sahen, die zerschnitten, was bis dahin verbunden, und verbanden, was bis dahin getrennt gewesen war.
    Nun fuhr Wakiya mit Inya-he-yukan diesen Geisterweg, über dem die weißen Felsen, das Grabmal des Häuptlings, leuchteten und mahnten.
    Das Tal wurde enger, die Berge rückten näher. Zwischen diesen weißen Felsen war Wakiya mit der Mutter hindurchgewandert, als er mit ihr zu dem Alten ging. Am gegenüberliegenden Talhang hatte das Haus des Alten gestanden, die kleine Hütte, dunkler Block in der Nacht. Dort hatte der Alte die Hände zum mondlosen Himmel erhoben und hatte gebetet, aber der Mond war verborgen geblieben, und die Toten und die Büffel waren nicht aus ihren Gräbern unter den Wurzeln hervorgekommen.
    Die Erinnerungen drängten und drohten in Wakiya, während er in einem Wagen saß, der 120 Meilen in der Stunde fahren konnte, wenn er nur

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