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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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jungen schwarzhaarigen und braunhäutigen Menschen im Priestergewand, der über das Grab des großen Toten den Segen Wakantankas hatte sprechen dürfen. Auch Elk hatte sich von den Geistern abgesondert und betete noch für sich allein. Als aber das Kind zu ihm kam, wandte er sich ihm zu.
    Er legte Wakiya-knaskiya die Hand auf die Schulter, und so wußte Wakiya, daß er sprechen dürfe.
    Er sprach sehr leise.
    »Elk, wenn ich einmal eine Frage an den großen Häuptling, Inya-he-yukan den Alten, habe, was soll ich tun?«
    »Dann kommst du an sein Grab hier zurück, Wakiya-knaskiya. Du wirst die Sonne sehen oder den Mond, das Gras oder den Schnee und die weißen Felsen. Du wirst deine Augen nach innen wenden und bei dir selbst sein, und Inya-he-yukan der Alte wird dir Antwort geben.«
    »Elk - sage mir die Wahrheit. Ist Inya-he-yukan der Alte ein Christ gewesen?«
    »Nein, das war er nicht.«
    »Ist es wahr, daß alle Menschen, die in ihrem Leben keine Christen waren, von den Geistern auf ihrem langen Todesweg gequält werden dürfen?«
    »Es ist nicht wahr.«
    »Gewiß nicht?«
    »Gewiß nicht.«
    »Wenn sie aber in ihrem Leben Geister und Menschen getötet haben?«
    »Auch dann nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Weil Jesus Christus auch für sie gestorben ist.«
    »Für die Menschen?«
    »Für die Menschen.«
    »Warum beten die Geister ihn an?«
    »Weil sie von ihren Sünden erlöst werden möchten.«
    »Warum tun sie soviel Böses, und die ganze Welt wird ihnen dafür geschenkt?«
    »Noch ist der Lauf der Welt nicht an seinem Ende.«
    »Du sagst, die Geister beten Jesus Christus an, und das sagen sie uns in der Schule auch. Aber in Wahrheit haben sie ihn getötet. Und sie machen sich viele Bilder davon, wie sie ihn am Baume gemartert haben. Sie haben ihn besiegt, und das wünschen sie immer zu sehen. Warum haben sie gegen ihn gekämpft?«
    »Er predigte Frieden und Liebe.«
    »Er ist ein Mensch gewesen.«
    »Er war ein Mensch.«
    »Wollte er sich an dem Baume opfern?«
    »Er wollte es nicht. Aber er war dazu bereit.«
    »Für uns?«
    »Auch für uns.«
    »Inya-he-yukan, mein Wahlvater, hat sich von dem Baume losgerissen. Warum starb Jesus Christus an dem Baum?«
    »Ein Mensch kann für einen anderen sein Leben geben. Das weißt du.«
    »Hau.«
    »Er war der Sohn Wakantankas.« »Wir sind die Söhne der Bärin.« »Er wurde unser Bruder.« »Kam er aus dem Volke Israel?«
    »Ja.«
    »Ich möchte noch viel mehr hören von dem Volk Israel, das immer verfolgt worden und doch nicht gestorben ist. Darf ich einmal zu dir nach New City kommen?«
    »Wenn deine Wahleltern zu mir nach New City kommen, so komm einmal mit zu mir.«
    Damit war das Gespräch zu einem guten Ende gelangt. Wakiya-knaskiya blieb noch bei Elk stehen, und die beiden schauten ebenso wie Inya-he-yukan der Jüngere hinüber zu den weißen Felsen, über denen die Sonne leuchtete.
    Sie sahen aber auch die Schatten der Geister, die um die Gräber umherhuschten. Der eine von ihnen war Mr. Whirlwind. Er hielt sich bei dem Grabe des Harold Booth auf, flüsterte mit seiner Frau und konnte in seiner Miene nicht verbergen, daß seine Gedanken Wege gingen, die nicht zu Inya-he-yukan dem Alten führten.
    »Ich mag diesen Mann heute nicht sehen, Elk. Er ist Susannes Vater, und dennoch mag ich ihn nicht sehen. Schau, wie es um seinen Mund zuckt. Er hat etwas Böses in Gedanken.«
    »Laß uns nicht ausweichen, Wakiya-knaskiya. Einen großen Toten ehrst du nicht in der Stille. Einen großen Toten ehrst du nur im Kampf. Auch noch an seinem Grabe.«
    Inya-he-yukan der Jüngere schien die Worte gehört zu haben. Seine Ohren waren scharf, auch dann, wenn er ganz in sich selbst versunken wirkte. Er kam langsam zu Elk und Wakiya-knaskiya herbei.
    »Du sprichst gute Worte, Elk. Ich begrüße dich am Grabe meines Ahnen.«
    Das war eine Abbitte und Wiedergutmachung. Inya-he-yukan hatte Elk nicht begrüßt gehabt, obgleich er ihn sehr wohl kannte und mit ihm freund war.
    Die Geister verabschiedeten sich.
    Wakiya, Susanne und David hatten am Vormittag Schulurlaub gehabt. Nun nahm die Rektorin die drei Kinder in ihrem Wagen mit zum Nachmittagsunterricht. Geister rechneten immer mit der Zeit wie mit einer Zahl. Wakiya gab der Geisterzeit den Namen Teacock. Die Söhne der Prärie, die Jäger, Hirten und Rancher, gleich, ob sie eine braune oder helle Haut hatten, lebten mit dem, was zu tun war.
    Am Abend ging Wakiya noch einmal ganz allein auf den Friedhof. Er war traurig, weil seine Mutter

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