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Das Blut Des Daemons

Titel: Das Blut Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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Geschenk von Muhammad Ali Pascha an Louis Philippe. Und von meiner Seite des Schreibtisches aus kannst du gerade noch die Seine und Notre Dame ausmachen«, erklärte er überraschend freundlich. »Ich empfinde den Ausblick bei Nacht deutlichansprechender als bei Tag.« Er verschränkte die Hände auf der Schreibtischplatte.
    Ich räusperte mich. »Julien wollte mich damals zu dir schicken … als Samuel …« Mit einer vagen Handbewegung wies ich zu meiner Kehle hin. »Er sagte, ich solle zum Place Denfert-Rock-«
    »Rochereau.«
    »Denfert-Rochereau gehen und dort nach einem bestimmten Fremdenführer suchen …«
    »Und jetzt fragst du dich, warum er dir nicht direkt diese Adresse genannt hat? – Ganz einfach: Er kannte sie nicht.« Diesmal war sein Lächeln eindeutig belustigt. »Ich bin ein alter Wolf, Mädchen, der die Lage seiner Höhle nicht leichtfertig und jedem Beliebigen preisgibt. – Aber du willst doch eigentlich etwas ganz anderes von mir wissen, nicht wahr?«
    Ich nickte.
    »Es tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen. Ich habe dem Rat unser Anliegen beziehungsweise unsere Forderung bezüglich deines … Leibwächters unterbreitet, aber bisher keine Antwort erhalten.« Vlads Blick war tatsächlich ein wenig bedauernd.
    Meine Kehle wurde eng. Ich öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder, weil ich nicht wusste, was ich hätte sagen sollen.
    »Es ist vermutlich ein schwacher Trost, aber ich denke, wir werden nicht mehr allzu lange auf eine Antwort warten müssen. Wie auch immer sie ausfallen mag.«
    Ich schluckte hart und zwang mich zu einem neuerlichen Nicken. Deutlich beklommener diesmal. Jede Sekunde, die Julien sich in Gérards Hand befand, wurde die Gefahr größer, dass der ihm etwas Entsetzliches antat – oder ihn tötete.
    »Aber solange wir warten, können wir uns dringlicheren Problemen zuwenden.«
    Verblüfft blinzelte ich. Was konnte dringlicher sein als Juliens Leben?
    Hinter seinem Schreibtisch erhob Vlad sich und kam um ihn herum auf mich zu. Dicht vor mir blieb er stehen. Der Schmerz in meinem Oberkiefer wurde schlimmer. Beim Geruch seines Blutes, so entsetzlich nah, zog Gier meine Eingeweide zusammen. Beinah hätte ich aufgestöhnt, stattdessen machte ich einen hastigen Schritt zurück.
    Vlad nickte, als habe er keine andere Reaktion von mir erwartet. »Es ist erstaunlich, dass du noch aufrecht hier vor mir stehst und nicht auf den Knien liegst und um Blut bettelst.« Er hob die Hand, als wolle er sie nach meinem Gesicht ausstrecken, ließ sie dann aber wieder sinken. »Ich nehme an, deine Eckzähne sind im Moment deutlich länger, als sie bis eben schon waren. Deine Augen sind jedenfalls so tiefschwarz, dass jeder, der bei Verstand ist und weiß, was das bedeutet, einen sehr großen Bogen um dich machen dürfte.« Beinah flüchtig sah er auf seine Uhr. »Du hast sehr lange gebraucht, um dich von deinem Flug hierher und den Geschehnissen in Bangor zu erholen. – Es ist alles für dich arrangiert. Und er sollte auch noch ein oder zwei Stündchen schlafen.«
    Er? Der Gedanke, der sich mir aufdrängte, verursachte mir Unbehagen. Vlad gab mir nicht die Chance, ihn zu fragen, was er meinte, sondern wies zur Tür.
    »Komm. Ich bringe dich zu …«
    Ein kurzes Klopfen unterbrach ihn, doch wer auch immer der Urheber war, wartete nicht auf ein »Herein«. Mein Onkel sah über mich hinweg, als jemand hinter mir den Raum betrat. Der Luftzug trug den Geruch von Blut zu mir. Der Hunger krallte sich noch stärker in meine Adern. Ich fuhr mit einem kleinen Fauchen herum – und fand mich dem schönsten Mann gegenüber, den ich je gesehen hatte: schlank und mittelgroß, im Vergleich zu Vlad eher schmal; schwarzesHaar, das im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden war; helle grüne Augen, die mich aus dem Antlitz eines Engels heraus musterten. Nachlässig warf er das Sportsakko, das er über der Schulter getragen hatte, auf den Sessel neben der Tür. Das dunkelgrüne Seidenhemd war Maßarbeit. Er mochte nicht älter als Mitte zwanzig sein, allerhöchstens knapp an die dreißig. Und er stellte mit seinem Aussehen selbst Julien in den Schatten.
    »Hat Michail dich also erreicht.« Vlad legte mir von hinten die Hand auf die Schulter. »Dawn, darf ich dir meinen Bruder Radu vorstellen? Deinen Großvater.«
    Mein …? Ich schloss mit einiger Verspätung den Mund. Julien hatte behauptet, ich sähe meinem Großvater ähnlich. Lieber Himmel, nie im Leben. Da glich eine Schildkröte schon eher einem

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