Das Blut Des Daemons
bist die Princessa Strigoja und so musst du dich auch verhalten. Keine Tränen. Kein Gebettel um das Leben dieses Burschen vor den anderen Fürsten. Er ist dein Leibwächter. Mehr darf er dir vor ihnen nicht bedeuten.« Ich starrte ihn an. Das war nicht sein Ernst. »Benimm dich nicht wie ein siebzehnjähriges Schulmädchen, sondern wie eine vernünftige junge Frau.«
»Radu …«
»Du musst den Fürsten zwar mit Respekt, aber dennoch als eine ihnen Gleichgestellte begegnen. Ansonsten wirst du für sie nicht mehr als eine lästige kleine Unannehmlichkeit sein, mit der sie ihre Zeit vergeuden müssen. – Nur eine starke Princessa Strigoja hat eine Chance zu überleben.«
Meinte er das am Ende wörtlich?
»Radu …«
»Vergiss das nie! Du magst drei Fürsten in deiner Familie haben, die nicht ohne Einfluss sind, aber das nützt dir nichts, wenn du selbst nicht auch stark bist …«
»Radu, waren wir in den ersten Tagen und Nächten stark, als man uns in Egrigöz gefangen setzte?«, sagte Vlad fast sanft.
Die grünen Augen meines Großvaters zuckten zu seinem Bruder. »Du schon.«
»Du auch. Jeder von uns war es auf seine Art. Und sie wird es auch sein. Sie wird tun, was notwendig ist, weil sie diesen Burschen zu lieben glaubt. – Sofern du sie nicht vorher zu Tode ängstigst. Lass es gut sein. Sie wird ihnen nicht zeigen, was er ihr bedeutet, und ihnen so in die Hände spielen.« Jetzt sah Vlad mich an. »Nicht wahr?«
Alles, was ich zustande brachte, war ein Nicken. Das Lächeln, das mein Onkel mir gönnte, war milde.
»Na bitte. Und jetzt lass sie sich noch ein wenig ausruhen, bis wir in Griechenland sind. – Sie jetzt noch in Protokoll und Etikette unterweisen zu wollen, würde ohnehin zu nichts führen.«
»Warum nicht?« War das tatsächlich meine Stimme, die das fragte?
Vlad maß mich mit einem regelrecht belustigten Blick. »Weil du dir all die Feinheiten in so kurzer Zeit niemals merken könntest und ich es für viel gefährlicher halte, dir Dinge zu erklären, die du dann vielleicht vor Nervosität und in dem Versuch, es richtig zu machen, erst recht vertauschst und falsch machst. Ich denke, wir sind besser beraten, wenn du dich auf dein Gefühl verlässt. Für intelligent genug halte ich dich auf jeden Fall.« Damit wandte er sich seinem Bruder zu, der aufgestanden und zu seinem ursprünglichen Sitz zurückgekehrt war. Was er sagte, konnte ich auch diesmal nicht verstehen, da er wieder in jene mir fremde Sprache gewechselt hatte. Schon nach ein paar Sätzen hatte er Radu in ein Gespräch verwickelt. Ich kehrte ihnen den Rücken, zog die Füße auf den Sitz, ohne mich um den Schaden zu kümmern, den ich möglicherweise auf dem hellen Leder anrichtete, schlang die Arme um die Beine und starrte durch eines der Fenster in die Dunkelheit hinaus. Meine Kehle war eng vor Angst. Vlad hatte recht: Ich würde alles tun, um Julien zu helfen. Alles! Bitte, Julien, du musst durchhalten!
Gerechtigkeit!
U ngefähr vier Stunden nachdem wir Paris verlassen hatten, stand ich auf einem steinigen Plateau irgendwo in den Bergen Griechenlands und starrte auf die hohen weißenMauern, von denen an einigen Stellen der Putz bröckelte. Ein Kloster! Anscheinend ziemlich alt. Im Nirgendwo des Hinterlandes. – Warum hatte ich eigentlich erwartet, der Rat der Lamia-Fürsten würde in einer der großen Städte wie Athen zusammenkommen?
Über uns knatterte der Helikopter, der uns vor fünf, allerhöchstens zehn Minuten von einer holprigen Landepiste abgeholt hatte, gerade wieder in den Nachthimmel davon.
Kaum dass wir ihn verlassen hatten, war uns ein Rudel struppiger, magerer Hunde belfernd und knurrend entgegengestürmt. Eine Gestalt in einem dunklen Mönchsgewand hatte sie zurückgepfiffen und uns mit einem überraschend knappen Nicken begrüßt.
Der Wind, der von den Bergen herunterfegte, war beißend kalt. Vlads Hand auf meinem Rücken und Juliens Jacke eng um mich geschlungen ging ich auf das Kloster zu. Das Geröll knirschte unter meinen Schritten. Mein Onkel und Großvater bewegten sich dagegen nahezu lautlos. In einigem Abstand streunten die Hunde noch immer um uns herum.
Die Gestalt im Mönchsgewand wartete nicht auf uns, sondern verschwand wieder im Inneren der Mauern, noch ehe wir das hohe, zweiflüglige Holztor – in dem allerdings nur eine darin eingelassene Tür normalen Ausmaßes offen stand – endgültig erreicht hatten. Weder Radu noch Vlad schienen dem irgendeine Bedeutung beizumessen.
Hinter dem
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