Das Blut Des Daemons
Tor öffnete sich ein rechteckiger, mit hellem Kies bestreuter Hof. In einem Viereck aus dunkler Erde in seiner Mitte flankierten zwei knorrig aussehende, kleine Bäume eine Statue, von der die Zeit nicht mehr übrig gelassen hatte als vage Umrisse: eine sitzende oder kniende Gestalt – möglicherweise eine Frau –, die sich zu einer zweiten herabbeugte, die anscheinend quer über ihrem Schoß lag. An derAußenmauer entlang reihten sich ein paar etwas ältere Jeeps neben einem deutlich neueren Modell und einer Geländemaschine, die schon weitaus bessere Zeiten gesehen hatte. Auf der anderen Seite erhob sich ein zweistöckiges Gebäude mit schmalen schießschartenartigen Fenstern. Unter dem vorspringenden Ziegeldach klebten Nester an der weißen Wand. Das unterste Stockwerk war ein paar Meter zurückgesetzt. Altertümlich anmutende Säulen trugen den darüber hinausragenden zweiten Stock, sodass eine Art Wandelgang entstand, der sich über die ganze Länge des Gebäudes von einem Ende des Hofes zum anderen erstreckte. Durch eine ebenfalls zweiflüglige Tür ging es in das eigentliche Kloster. Hier erwartete uns halb im Schatten die Gestalt im Mönchsgewand – nur um erneut vorauszugehen, ehe wir sie einholt hatten.
Ein paar Schritte hinter dieser Tür jedoch wartete der Mönch diesmal in einem Korridor, der an seinen beiden Enden in jeweils einen weiteren Gang einmündete.
»Willkommen, Doamne Vlad und Doamne Radu.« Die Kapuze verbarg sein Gesicht nahezu vollkommen. Die Stimme war so betörend schön, dass mir ein kleiner Schauer über den Rücken rann. Sie gehörte eindeutig zu einem Mann, der eigentlich auch nur ein Lamia sein konnte. »Für Euch, Doamne Radu, wurde die übliche Suite hergerichtet. Auf Euch, Doamne Vlad, warten jene Räume, die Ihr bewohnt habt, wenn Ihr in Begleitung Eurer Sterblichen hier wart. Das Zimmer, das die Dame bewohnte, wurde für Eure Großnichte vorbereitet.« Er bedachte mich mit einem Nicken – das ich mit einem verspäteten Nicken meinerseits und einem Lächeln erwiderte. »Es wurde verfügt, innerhalb dieser Mauern in Anwesenheit Eurer Großnichte, beziehungsweise Eurer Enkeltochter, Doamne Radu, Englisch zu sprechen, damit sie uns versteht. Die Glocke wird schlagen, um denRat später zusammenzurufen, wenn es gilt, Recht zu sprechen. Die meisten der Fürsten haben sich bis dahin in ihre Räume zurückgezogen. Doamne Mircea ergeht sich meines Wissens im nördlichen Wandelgang und erwartet einen von Euch dort – gerne auch in Begleitung seiner Großnichte –, sobald es Euch angenehm ist.« Er neigte den Kopf. »Ihr werdet den Weg zu Euren Räumen sicherlich ohne meine Hilfe finden. – Ich nehme an, Eure übliche Entourage trifft mit einem der Wagen von der Landebahn ein?«
Vlad nickte.
Der Mönch neigte erneut den Kopf. »Einer der Minderen wird sie erwarten und einweisen. – Ihr entschuldigt mich.« Damit drehte er sich um und strebte den Korridor nach links hinunter, lautlos wie ein Geist.
Als wäre es vollkommen normal, dass man sie auf diese Weise stehen ließ, wandten Vlad und Radu sich mit mir in die andere Richtung, nach rechts. Die schmalen Fensterschlitze waren mit dunklem Glas verschlossen, und in regelmäßigen Abständen brannten in Nischen in der gegenüberliegenden Wand Wachsstöcke, die die weiß getünchten Mauern und den Boden aus matten Steinfliesen in unstetes goldenes Licht tauchten. Ich hatte das Gefühl, unversehens in einem früheren Jahrhundert gelandet zu sein, in dem es keine Elektrizität – und möglicherweise auch kein fließendes Wasser – gab.
Mein Onkel und mein Großvater schienen tatsächlich genau zu wissen, wohin sie sich wenden mussten. Keiner von beiden sprach. Zwei weitere Biegungen, vorbei an in die Wände eingelassenen hölzernen Türen, Durchgängen, in denen nach wenigen Metern die Dunkelheit für mich undurchdringlich wurde, und Treppen, schmale und breite, die nach oben oder unten führten … Mit jeder Abzweigung ging es tiefer in das Kloster hinein – das ganz offensichtlich beiWeitem nicht so klein war, wie es von außen den Anschein gehabt hatte. Bedeutete das, ein Teil davon war in den Berg hineingebaut? Die Vorstellung von Tonnen von Gestein über mir ließ mich schaudern.
Wir hatten das Ende des letzten Korridors noch nicht erreicht, als wütende Stimmen zu uns drangen. Vlad und Radu tauschten einen Blick, hielten aber weiter auf einen Durchgang zu – hinter dem die Stimmen immer lauter wurden. Abermals spürte
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