Das Blut des Mondes (German Edition)
und öffnete den Mund: „Wann?“
Levian atmete noch einmal tief durch, die Anspannung im Raum war fast greifbar. Dann, nach einem letzten Blick in ihre Augen, der um Verständnis und Vertrauen bat, antwortete er ihr: „Am sechsten Dezember 1765.“ Mit einem Schlag war es so ruhig, dass man die Stille hören konnte.
„Das ist nicht dein Ernst, oder?“ Ann runzelte die Stirn und warf Levian einen belustigten Blick zu. Er reagierte nicht mit dem erhofften Grinsen im Gesicht, sondern verzog keine Miene. Sie lachte kurz auf. Sie hielt das für einen besonders blöden Scherz. Doch Levian lachte nicht. Und auch sonst niemand. Sie drehte sich zu Cat um. Doch auch Cat lachte nicht. Sie war nur ganz blass. Und dass Ric sie mit einer versteinerten Miene ansah, die nicht annähernd auf einen Scherz hindeutete, gab ihr den Rest.
Langsam wandte sie sich wieder Levian zu. „Das ist dein Ernst …“, stammelte sie nach einem Blick in seine Augen, die ihr plötzlich uralt und weit weg vorkamen. Und dann entfuhr ihr ein kurzer hysterischer Lacher.
„Wow!“ Sie ließ sich, wie in Zeitlupe, in ihrem Stuhl zurück fallen. „Das sind ja … 245 Jahre?“ Levian nickte.
„Wie … also, ich meine …“, stotterte sie. Keine Worte der Welt konnten das ausdrücken, was sie in eben diesem Moment fühlte. In ihrem Kopf kreisten die Gedanken wie verirrte Planeten außerhalb ihrer Umlaufbahnen. Alles stürmte gleichzeitig auf sie ein: Überraschung, Verblüffung, Faszination. Sie fühlte sich überrumpelt, sie fühlte sich allein gelassen und sie vor allem fühlte sie sich – betrogen.
Sie fühlte sich betrogen, weil sie einem Jungen vertraut hatte, der ihr nicht die Wahrheit gesagt hatte. Der sie über einen wesentlichen Aspekt in seinem Leben im Ungewissen gelassen hatte. Der ihr den wichtigsten und zugleich unheimlichsten Teil von sich selbst verschwiegen hatte. Wie sollte sie damit klar kommen?
„Ich … ich muss … ich brauche … eine kurze Pause“, stammelte sie schließlich. Ihre Schläfen pochten und der Kopfschmerz stand schon bereit, um mit voller Wucht Besitz von ihr zu ergreifen. Mit wackeligen Beinen stand sie vom Tisch auf und vermied es dabei, Levian in die Augen zu sehen.
Mit ein paar Schritten war sie aus der Küche, rannte quer über den Flur und riss die Tür zu ihrem Zimmer auf. Sie machte kein Licht. Im Halbdunkeln warf sie sich schluchzend auf ihr Bett und blendete alles um sich herum aus. Der Schmerz riss sie wie ein schweres Gewicht in die Tiefe.
„Warum muss so was immer mir passieren? Warum darf ich nicht einmal glücklich sein?“ Tränen, erst noch zögerlich, dann bald unaufhaltsam, liefen über ihr Gesicht und durchweichten das Kissen, welches sie wie einen tröstenden Puffer zwischen der Wahrheit und ihr in ihren Armen hielt.
Während die tröstende Dunkelheit sie immer weiter mit sich zog, schwirrten Gedanken wie Meteoritenschwärme durch ihren Kopf.
Was hätte es geändert, wenn er es dir früher erzählt hätte? Hättest du ihm dann geglaubt? Ändert der Zeitpunkt seiner Offenbarung etwas? Ändert das etwas an deinen Gefühlen für ihn? Hättest du ihn mehr geliebt, hätte er dir am ersten Tag die Wahrheit gesagt? Oder hättest du dich dann gar nicht erst in ihn verliebt …?
Sie fühlte sich, als hätte sie ein Messer in der Brust stecken, welches sich immer weiter und weiter in ihr Herz hineinbohrte. Der Schmerz in ihrem Innersten wurde immer unerträglicher und riss sie unaufhaltsam tiefer in die Dunkelheit …
Levian saß regungslos auf seinem Stuhl. Eine Chance , echote es immer wieder in seinem Kopf. Nur eine Chance. Hatte er diese eine Chance jetzt vertan? Gingen seine schlimmsten Befürchtungen nun in Erfüllung? Würde Ann sich jetzt von ihm zurückziehen? Aus welchem Grund war völlig egal. Entweder, weil sie ihn nach dieser Eröffnung für völlig durchgeknallt hielt und einfach nicht auf Spinner stand oder, weil sie ihm glaubte, aber nicht damit leben konnte. Er konnte es ihr nicht verübeln.
Auch Cat wirkte von dieser Neuigkeit ziemlich überfahren. Zwar blieb sie sitzen, beäugte jedoch den Unsterblichen neugierig. Bis Ric sich räusperte.
„Da hat sie dran zu knabbern“, brach er als Erster das betretene Schweigen. Cat nickte zustimmend. Sie nahm all ihren Mut zusammen, bevor sie eine gefährliche Frage stellte:
„Wie kannst du … also, ich meine … gibt es einen … Beweis für deine Geschichte?“
Levians Kopf flog hoch. „Einen Beweis?“, fragte er
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