Das Blut des Mondes (German Edition)
Kichernd lehnte sie sich in ihrem alten Sessel zurück und zog die Beine an, während sie den Blick nicht von ihren Notizen lassen konnte. Dann schloss sie aber doch die Augen und versuchte sich ganz genau an den Traum zu erinnern, der sie auf die richtige Spur gebracht hatte.
Es war in der Nacht, nachdem sie im Einkaufszentrum in Levian hineingerannt war. Sie träumte von dem Ring. Er lag auf dem Boden. Und der Stein glühte stark. Wie Feuer, denn er glühte rot. Dann, ganz plötzlich, bebte die Erde und ein Blitz schlug ein. Und damit wurde aus dem roten Stein ein schwarzer Stein.
Als sie aufwachte, grübelte sie ewig lange, warum das so war, doch sie fand keine Erklärung. Da sie daran gewöhnt war, dass ihre Träume immer eine gewisse Realität enthielten und sich vorausschauend immer auf die kommenden Ereignisse beriefen, war sie unsicher. Dieser Traum stand weder mit Ric noch mit ihr in Verbindung. Denn ihr Ring besaß einen grünen Stein, keinen roten. Und von Ric´s Ring, geschweige denn von Levians, wusste sie zu dem Zeitpunkt noch gar nichts. So hatte sie den Traum aus ihrem Gedächtnis gestrichen und in die hintersten Ecken ihres Bewusstseins geschoben. Bis eben war er da auch ganz gut aufgehoben gewesen, doch mit der Grübelei über den schwarzen Ring von Levian kam er ihr wieder in den Sinn. Und brachte die Lösung mit.
Plötzlich riss Cat ein dumpfes Knallen aus ihren Gedanken. Sie öffnete die Augen und erstarrte.
Vor ihr stand Alfons in seiner vollen Gestalt und er sah alles andere als freundlich aus …
***
„Und? Was willst du?“ Jayden saß angespannt auf seinem Schreibtischstuhl und sah seiner Schwester missmutig entgegen. Sein Gesichtsausdruck sagte ihr, dass er sich darüber wunderte, dass sie freiwillig zu ihm kam. Das hatte sie in den letzten Tagen nicht getan. Genaugenommen, seit sie ‚anders‘ war, wie er ihr Verhalten bezeichnet hatte.
Die Zeiten, in denen sie oft nächtelang bei ihr oder ihm im Zimmer gesessen und gequatscht hatten, kamen ihr unendlich weit entfernt vor.
Sie bemerkte, wie sein Blick an ihr hoch und runterwanderte. Sie sah ganz normal aus. Fast wie in alten Zeiten. Jogginghose und T-Shirt. Das trug sie nur zu Hause. Niemals würde sie sich so auf die Straße wagen. Jayden fragte sich sicher auch, ob das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war und zog erwartungsvoll die Augenbrauen in die Höhe.
„Kann ich … kann ich reinkommen?“ Dionne stand auf der Türschwelle, die Klinke noch in der Hand. Jayden schwieg. Nach einer gefühlten Ewigkeit nickte er. Sie trat ein und schloss die Tür hinter sich. Dann blieb sie stehen und sah ihn an. „Jayden … ich möchte mit dir reden.“
„Worüber?“ Seine Stimme klang hart, nicht annähernd so warm, wie sie sie in Erinnerung hatte.
„Ich … ich … ach Jayden. Ich möchte mich entschuldigen“, stammelte sie betreten. Mit versteinerter Miene verschränkte er die Arme vor der Brust und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
„So, so, entschuldigen. Und wofür genau, wenn ich fragen darf?“ Er würde es ihr nicht einfach machen, aber das war ihr klar gewesen, bevor sie an die Tür geklopft hatte. Nicht weiter verwunderlich, wenn man bedachte, dass sie ihn in den letzten Tagen mehr als nur einmal enttäuscht hatte. Jetzt musste sie zeigen, wie ernst es ihr war.
„Na ja … für alles eben“, stammelte sie weiter und nagte außer ihrer Gewohnheit an ihrer Unterlippe herum. Jayden schwieg. „Und da dachte ich, ich fange bei dir an. Schließlich … ich denke, ich habe dir am meisten zugesetzt in den letzten Tagen. Ich weiß, ich habe mich etwas daneben benommen in letzter Zeit und …“
„Etwas daneben benommen?“, schnitt Jayden ihr kalt das Wort ab. „Etwas daneben benommen ist ja wohl nicht der richtige Ausdruck Schwesterherz! Weißt du eigentlich, wen du alles vor den Kopf gestoßen hast? Nein, wahrscheinlich nicht“, beantwortete er sich seine Frage gleich selbst. „Mein Gott Dionne! Wach mal wieder auf! So, wie du dich verhalten hast in den letzten Tagen, das … das geht gar nicht! Und da kommst du mit so einer läppischen Entschuldigung auch nicht weiter! Verdammt!“
Nach dieser Predigt dauerte es keine drei Sekunden und die ersten Tränen rannen Dionne über das Gesicht. Sie schlug sich die Hände davor, ihre Schultern bebten und ihr ganzer sonst so aufrechter Körper sackte in sich zusammen wie ein Häufchen Elend. Sie konnte nicht anders – die ganze Anspannung fiel plötzlich
Weitere Kostenlose Bücher