Das Blut des Mondes (German Edition)
Zeitung vertieft und fragte ganz scheinheilig nach, was denn los wäre. Denn ihr Freund war blass geworden.
Nach und nach, stockend und zögern hatte er ihr letztendlich die unglaubliche Geschichte von dieser Neelahjah , der Wasserdämonin, und ihren Sirenen erzählt.
Rot zu Rot – das ergab jetzt einen Sinn. Allerdings einen anderen, als den, von dem sie geträumt hatte. Nicht Levian sollte ihr Blut bekommen, sondern die Dämonin. Um ihre Brut zu retten.
Mit den Sirenen hatte Ann am Leuchtturm bereits ihre Erfahrungen gemacht. Und die Augen, die sie in dem Strudel gesehen hatte, waren vermutlich die der Dämonin Neelahjah, die nicht aus ihrem Element heraus konnte, da ihr die Macht dafür fehlte. Die würde sie erst durch das Blut der Mondhexe wiedererlangen. Ihr Blut.
Ann merkte, wie sie zu zittern begann. Sie musste sich zusammenreißen. Irgendeinen Ausweg würde es schon geben. Das konnte schließlich nicht ihr Ende sein. Vorherbestimmt durch eine Vergangenheit, in die sie einfach so hineingeboren wurde, mit einer Gabe, die ihr in die Wiege gelegt worden war, die sie sich nicht einmal selbst aussuchen durfte. Das durfte nicht sein!
Bis vor einigen Stunden hatte sie nichts von ihrer wahren Herkunft gewusst. Das Einzige, was sie bis dahin vorweisen konnte, waren ihre Muttermale, die mit viel Fantasie zu einem Halbmond mutierten. Und das ungute Bauchgefühl, was sie schon seit ihrer Kindheit besaß, wenn sie in die Nähe des Meeres oder gar des Leuchtturms kam. Hatte ihre Mutter sie nicht auch immer vor dem Wasser gewarnt? „Geh nicht so nah ran, das ist gefährlich!“ Die Worte ihrer Mom.
Wenn ihre Freunde Urlaub am Meer gemacht hatten, fuhr sie mit ihren Eltern in die Berge. Oder nach Kanada. Und jetzt begann sich der Kreis zu schließen. Ihre Eltern wussten Bescheid. Ihre Mom wollte sie schon damals schützen und hatte sie deshalb vom Wasser ferngehalten. Ann schüttelte den Kopf. Konnte das sein? War das ihre Vergangenheit? Ihre Gegenwart? Ihre Zukunft? Ihre Bestimmung? Der Tod? Zu sterben für eine Dämonin?
Auch, wenn die Beweise auf der Hand lagen - Sie wollte es nicht glauben und versuchte, ihre Gedanken zu stoppen. Sie musste sich irgendwie ablenken. Vielleicht wäre ein Eis ganz prima, dachte sie, als sie Cat ansah. Von ihr hatte sie sich in der letzten Zeit sowieso viel zu sehr zurückgezogen, was eigentlich ungewöhnlich war. Sie beschloss, ihrer Freundin reinen Wein einzuschenken und sie für den Nachmittag in Beschlag zu nehmen. Und bis zum Abend hatte Levian sich vielleicht auch schon etwas einfallen lassen, wie sie aus diesem Dilemma wieder herauskamen …
Levian überlegte. Er war nicht in der Lage konzentriert in seiner Werkstatt herumzuwerkeln. Dafür hatte er keinen Kopf. Die Geschichte, die Larmant ihm am gestrigen Abend an Telefon erzählt hatte, hatte ihn umgeworfen. Der Gedanke daran, dass Ann, die Liebe seines Lebens, geopfert werden sollte für die Sirenen, war einfach unerträglich. Das würde er auf keinen Fall zulassen! Er würde kämpfen – mit allem, was ihm zur Verfügung stand. Doch, wie er selber wusste, war das nicht viel.
Nachdenklich kaute er auf seinem Bleistift herum, mit dem er sich Notizen zu der Sache gemacht hatte. Doch nun war sein Kopf leer. Ihm fiel partout nichts mehr ein, was ihn hätte weiterbringen können.
„Zu blöd aber auch, dass der letzte Rest der Seite fehlt“, schimpfte er vor sich hin und stierte das aufgeschlagene, in Leder gebundene Notizbuch an, das auf dem Tisch vor ihm lag. Er sah nur leere Seiten – immer noch – aber er sah, genau wie Ann, dass die eine Seite nur zur Hälfte vorhanden war. Die untere Hälfte war herausgerissen worden. Und er fragte sich, warum.
Tief seufzend stand er auf, um sich einen starken Kaffee zu machen. Vielleicht half das beim Nachdenken. Oder vielleicht doch lieber ein eisgekühltes Bier? Er schaute auf die Uhr.
„Kein Bier vor Vier“, sagte er trocken, zuckte mit den Schultern, öffnete den Kühlschrank und nahm sich eine Dose heraus. Von einem Zischen begleitet öffnete er den Verschluss und trank den ersten Schluck noch während er die Kühlschranktür schloss. Dann setzte er die Dose hastig ab, riss die Tür wieder auf und starrte auf die Rotweinflasche in dem Türfach. Und auf einmal glaubte er zu wissen, was er tun musste.
Er stellte sein Bier auf die Arbeitsfläche, knallte den Kühlschrank wieder zu und war mit großen Schritten am Sofa angelangt. Der Rotweinfleck auf der Sitzfläche
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