Das Blut des Skorpions
Antisemitismus sagen konnte, und ging ihren vielfältigen Gewerben und Geschäften nach. Es kam nämlich vor, dass selbst die reichsten und mächtigsten Familien Roms sich wegen eines Kredits an die jüdischen Bankiers wenden mussten, damit sie ihren verschwenderischen Lebensstil fortsetzen konnten.
Diese Überlegungen brachten den Maler auf eine neue Idee, an die er zuerst nicht gedacht hatte, weil er so versessen darauf gewesen war, den Anhänger an Pater Kircher zu verkaufen.
Unter den vielen Geschäften, welche die Juden Roms betrieben, war das florierendste zweifellos die Pfandleihe. Es gab nur wenige Römer, die im Laufe ihres Lebens nicht früher oder später einmal bei einem dieser erdrückend engen Läden anklopften, egal, ob Adelige oder Leute aus dem Volk, Kirchenfürsten oder Fuhrknechte. In der jüngeren Vergangenheit hatten sogar einige Päpste auf die Dienste dieser besonderen Handelsunternehmen zurückgreifen müssen.
Auch der Maler war schon bei mehr als einer Gelegenheit durch diese engen Gassen gestreift und hatte ein Bündel armseligen Inhalts dabeigehabt, für den er ein wenig Bargeld zu bekommen hoffte.
Von den zahlreichen Pfandleihern, die ihre Schaufenster in diesen übervölkerten Straßen aneinanderreihten, erschien ihm Piperno stets als der ehrlichste, weshalb er jetzt auf den winzigen Platz zuhielt, an dem sich dessen Geschäft befand.
Piperno empfing ihn mit dem gewohnten Lächeln und dem rituellen Gruß seiner Religion. Er war ein kleiner, rundlicher Mann, der in seiner liebenswürdigen Art dafür sorgte, dass seine Kunden sich auch unter den nicht eben vergnüglichen Umständen, die sie zu ihm führten, wohlfühlten.
Ohne lange Vorrede zeigte der Maler ihm das Schmuckstück und fragte ihn, ob er daran interessiert sei und wie viel es wert sei. Dabei versäumte Fulminacci es nicht, darauf hinzuweisen, dass der Gegenstand ein altes Familienerbstück sei, von dem er sich nur unter großem Bedauern trenne.
Piperno begutachtete den Anhänger mit großer Aufmerksamkeit und unverkennbarem Interesse, doch als es ans Verhandeln ging, verhielt er sich plötzlich ausweichend.
»Ein ungewöhnliches Stück, keine Frage«, begann er, »allerdings sind die Preise für Bernstein im Moment im Keller, muss ich Euch sagen. Es gibt kaum Nachfrage, versteht Ihr? Ich handele nur selten damit. Im Norden ist der Markt dafür größer. Wenn Ihr nach Mailand oder Venedig gingt, könntet Ihr bestimmt ein gutes Angebot dafür bekommen, aber hier in Rom… Hier werden andere Kostbarkeiten verlangt.«
»Kommt, Piperno, treibt keine Spielchen mit mir. Ihr wisst so gut wie ich, dass dieses Schmuckstück einen Haufen Geld wert ist. In Mailand habe ich für mehrere Goldschmiede gearbeitet, die Fassungen für Bernsteine herstellten, und ich weiß genau, dass es seltene und kostbare Steine sind, die bei den Damen sehr begehrt sind. Versucht nicht, mich übers Ohr zu hauen, sondern macht mir ein vernünftiges Angebot. Ich will nicht gierig erscheinen, aber auch nicht übervorteilt werden!«
»Aber nein, Signore, wo denkt Ihr hin! Es ist nur so, dass ich mit Bernstein nicht viel Erfahrung habe. Ich wüsste nicht, was ich Euch anbieten sollte, vor allem in Anbetracht der Schwierigkeiten, die ich beim Weiterverkauf hätte.«
Das Stirnrunzeln des Malers, dessen geringe Geduld schon beinahe erschöpft war, veranlasste den Pfandleiher, sich auf eine Verzögerungstaktik zu verlegen.
»Ich könnte Euch entgegenkommen, indem ich ein bisschen bei meinen Kollegen herumfrage. Gut möglich, dass einer von ihnen sich mehr für diese Art von Preziosen interessiert. Kommt morgen zwei Stunden vor Sonnenuntergang wieder, dann werde ich sicher Neuigkeiten für Euch haben.«
Wenig überzeugt von der Rede des Mannes verließ Fulminacci den Laden. Piperno kannte sich normalerweise auf jedem Gebiet gut aus, besonders, wenn es um Kunsthandwerk von einigem Wert ging, ob das byzantinische Ikonen waren oder türkischer oder maurischer Schmuck. Es erschien ihm daher höchst fragwürdig, dass der Pfandleiher sich mit der Schätzung eines Schmuckstücks aus Bernstein so schwertat, was ein zugegeben eher seltenes, aber keineswegs unbekanntes Material in der Ewigen Stadt war.
Es musste noch etwas anderes dahinterstecken.
Höchstwahrscheinlich hatte der gewitzte Händler den unschätzbaren Wert des Anhängers erkannt und sich gesagt, dass geringes Interesse zu zeigen die beste Strategie war, um ihn für einen Apfel und ein Ei zu
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