Das Blut des Skorpions
zwei aus Alabaster trugen die hohe Kuppeldecke, die mit mythologisch inspirierten Fresken ausgemalt war. Zwischen den Säulen standen meisterhaft gestaltete Skulpturengruppen, Werke von Künstlern, deren Namen vergessen waren, während ihre wunderbare Kunstfertigkeit sich erhalten hatte: eine Venus aus Marmor, eine Gruppe, die Castor und Pollux mit ihrer Mutter Leda darstellte, ein Bacchusaltar und ein von acht Musen umgebener Apoll, der aus der Hadriansvilla in Tivoli stammte. In der Mitte der großen Halle erhob sich ein Thron aus vergoldetem Holz, der für das königliche Gesäß der schwedischen Herrscherin vorgesehen war, und darüber ein monumentaler Baldachin aus grünen und goldfarbenen Draperien.
Fulminacci hatte schon viel von diesen Wunderwerken gehört, die dem Zahn der Zeit widerstanden hatten, und als er sie jetzt mit eigenen Augen sah, wurde er von Erstaunen und Ehrfurcht vor diesem fast übermenschlichen Können erfüllt. Melchiorri musste ihn mehrmals zur Eile antreiben. Der Maler folgte seinen Auforderungen schweren Herzens, weil er sich in der Betrachtung dieser Bildhauerwerke verlieren wollte, die auf der Welt nicht ihresgleichen hatten.
Nach der Säulenhalle gelangte das Trio in einen mindestens hundertfünfzig Fuß langen Salon, prächtig mit Möbeln eingerichtet, die auf verschiedene Weise die Farben der skandinavischen Dynastie wieder aufnahmen. Doch es waren nicht diese kostbaren Möbelstücke, von denen die Aufmerksamkeit des verblüfften lombardischen Künstlers gefesselt wurde. Die hohen Wände waren buchstäblich mit Meisterwerken der Malerei übersät, die zu bewundern schon immer sein Traum gewesen war, auch wenn er nie zu hoffen gewagt hätte, sie tatsächlich einmal zu sehen.
Raffael, Paolo Veronese, Correggio, Tizian: Die unvergleichlichen Schöpfungen von vier Generationen der größten Künstler der letzten hundertfünfzig Jahre waren hier in all ihrem Glanz ausgestellt.
Der ergriffene Blick des Malers schnellte von einem Werk zum anderen und wusste vor so viel Schönheit nicht, wo er verweilen sollte.
Seine Schritte wurden immer langsamer, sodass Melchiorri sich gezwungen sah, ihn erneut anzutreiben.
Überwältigt und beschämt von der Kunst dieser unsterblichen Meister bemerkte Fulminacci die Gruppe von Personen zunächst nicht, die am anderen Ende des Salons ins Gespräch vertieft war. Erst die volltönende Stimme des Großmeisters, der ihn vorstellen wollte, riss ihn aus seiner Trance.
Als Erstes musste er dem französischen Bischof die Ehre erweisen, von dem er schon einiges gehört hatte, dem er aber noch nie persönlich begegnet war.
»Monsignor de Simara, darf ich Euch Maestro Giovanni Battista Sacchi vorstellen, Maler, Bildhauer und Kupferstecher«, sagte Melchiorri.
»Und ein hervorragender Fechter, wie ich selbst zu sehen Gelegenheit hatte«, fügte der Geistliche mit einem leicht ironischen Lächeln hinzu.
»Monsieur ist zu freundlich«, murmelte der Maler.
Das Lächeln des Bischofs wurde um den Bruchteil eines Millimeters breiter.
»Mademoiselle Beatrice, welche Freude, Euch gesund wiederzusehen.« Der Bischof wandte sich der jungen Kartenlegerin zu, die sich respektvoll etwas abseits gehalten hatte. »Ich habe von Eurem unglücklichen Abenteuer gehört und stelle zufrieden fest, dass es Eurer strahlenden Schönheit nichts anhaben konnte.«
Beatrice machte einen anmutigen Knicks und errötete tief über das Kompliment, enthielt sich jedoch einer Antwort.
Bei all dem Trubel um die Kostümierung und seinem Staunen über die Anhäufung von Kunstwerken, die er nur flüchtig hatte bewundern können, hatte Fulminacci nicht besonders auf das Aussehen seiner jungen Freundin geachtet, doch nun, da es keine Ablenkung mehr gab, schnappte er nach Luft.
Die Zigeunerinnenlumpen, die Bänder in den wirren Haaren, das geflickte Mieder und der bunt gemusterte Rock waren verschwunden und durch ein Kleid in einem hellen Türkis ersetzt worden, das im flackernden Kerzenlicht changierte und hier und da in ein transparentes Wassergrün überging. Ihre kupferrote Lockenmähne hatte – offensichtlich unter den Händen eines guten Frisörs – endlich eine vollendete Fasson angenommen, die das perfekte Oval ihres Gesichts mit der im Kerker der Inquisition erworbenen feinen Blässe gut zur Geltung brachte. Ihre großen grünen Augen, die genau im richtigen Abstand zueinander lagen, leuchteten wie zwei Smaragde daraus hervor.
Die aufbrausende, kratzbürstige Wahrsagerin, die in
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