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Das Blut des Skorpions

Das Blut des Skorpions

Titel: Das Blut des Skorpions Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Marcotullio
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Eile.«
    »Eile?«, murmelte die Freundin. »Eile ist gut. Du bist dort schon seit einer Ewigkeit zugange. In der Zeit hättest du dich fünfzigmal aus- und wieder anziehen können!«
    »Immer mit der Ruhe. Schließlich kommt es auf die Feinheiten an. Außerdem habe ich leider keinen großen Spiegel zur Verfügung und muss mich abschnittsweise begutachten, zuerst unten und dann oben.«
    »Mein Gott, Nanni, nicht einmal die Lieblingsfrau des Sultans braucht so viel Zeit, um sich fertig zu machen. Ich wusste gar nicht, dass du so selbstverliebt bist.«
    »Bin ich gar nicht, ich will nur keinen schlechten Eindruck machen. Die wichtigsten Persönlichkeiten der Christenheit werden bei diesem Fest zugegen sein, ist dir das klar? Ich will nicht, dass jemand glaubt, es mit einem Gernegroß zu tun zu haben.«
    »Aber du bist ein Gernegroß. Außerdem wird dich niemand eines zweiten Blickes würdigen, da kannst du beruhigt sein. Die Mächtigen interessieren sich ausschließlich für ihresgleichen. Und du bist nur ein armer Hungerleider von einem Maler, ein Nichts.«
    »Schließ nicht von dir auf andere. Das hier ist meine große Chance. Vielleicht gelingt es mir ja, an einen wirklich guten Auftrag heranzukommen! Die Kirche, die sie da im Trevi-Viertel bauen, für die Bernini die Pläne gezeichnet hat… Ich habe gehört, dass sie die Kuppel mit einem Jüngsten Gericht ausmalen lassen wollen, meiner Spezialität. Jüngste Gerichte sind meine Stärke.«
    »Mach dir keine Illusionen, Nanni. Sie werden dich nicht einmal bemerken. Und jetzt beeil dich.«
    »Bin fast fertig. Nur noch einen Moment.«
    Beatrice setzte sich seufzend wieder auf den niedrigen Diwan.
    »Und, wie findest du mich?«
    Sie betrachtete den Maler eingehend, der in der Pose eines Schmierenkomödianten hinter dem Paravent hervorgetreten war.
    Trotz ihrer Ungehaltenheit über das lange Warten musste sie zugeben, dass er ausgesprochen gut aussah. Das mit dunklen Federn bestickte Wams streckte seinen kräftigen Rumpf und ließ ihn größer und schlanker wirken, wozu noch die hohe Kopfbedeckung mit der Maske beitrug. Auch die weichen Stiefel, die knapp über dem Knie umgeschlagen waren, und die dunkle, schillernde Seide des langen Dominos verliehen ihm ein geheimnisvoll-elegantes Aussehen.
    Gar nicht mal übel, alles in allem, dachte sie.
    Plötzlich fiel ihr etwas auf, und sie ging auf ihn zu und beschnupperte ihn.
    »Großer Gott, Nanni, mit was hast du dich denn zugeschüttet?« Sie zog eine Grimasse. »Du stinkst wie eine Nutte!«
    »Nur zwei Tropfen Parfum, das ist alles.«
    »Zwei Tropfen? Mir scheint, du hast darin gebadet. So kannst du nicht unter die Leute. Du wirst noch alle Katzen des Viertels anlocken. Besser, ich schrubbe dich erst einmal gründlich ab.«
    »Du meinst, ich habe es übertrieben?«, murmelte der Maler.
    »Allerdings.«
    »Dann muss ich also noch mal ganz von vorn anfangen…«
    »Halt dich ran, wir haben nicht die ganze Nacht Zeit.«
    »Seid ihr immer noch nicht fertig?«, wollte Melchiorri wissen, als er ins Zimmer trat.
    »Ich bin schon seit Stunden fertig«, sagte Beatrice. »Nur Nanni kann sich nicht entschließen, hinter diesem Paravent hervorzukommen.« »Giovanni, ich bitte dich, beweg dich! Wir können nicht länger warten. Bischof de Simara hat den Wunsch geäußert, dich kennenzulernen, ehe die Gäste im Palazzo eintreffen.«
    Fulminacci verließ erneut den Schutz des Wandschirms und zupfte seinen Umhang zurecht.
    »Bin ich so präsentabel?«
    »Aber ja, wen zum Teufel kümmert das schon? Lass uns gehen. Denk daran: Sprich nur, wenn du gefragt wirst, und lass deine üblichen Aufschneidereien. Solchen Herrschaften reißt schnell der Geduldsfaden.«
    Die drei eilten aus dem Pavillon und überquerten den großen gepflasterten Hof.
    Die große Vorhalle wurde bereits von zahlreichen Kerzenleuchtern erhellt, obwohl es bis zum Sonnenuntergang noch ein paar Stunden hin waren.
    Fulminacci, der seit zwei Tagen Gast seines Freundes Melchiorri war, hatte nun zum ersten Mal Gelegenheit, den eigentlichen Palast zu betreten.
    Auch wenn er in den letzten Tagen öfter den Degen als den Zeichenstift in der Hand gehalten hatte, besaß er doch immer noch das Auge eines Künstlers, und so traten die Sorgen um sein Äußeres recht bald hinter dem Staunen über die Einrichtung dieses Paradebeispiels der Renaissancearchitektur zurück.
    Der erste Saal, durch den sie kamen, war eine Hommage an die klassische Antike: Sechzehn Säulen aus gelbem Marmor und

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