Das Blut des Skorpions
einer verfallenen Hütte lebte und am Tiberufer Kräuterbündel sammelte, hatte sich wie im Märchen in eine wunderschöne Prinzessin verwandelt.
Fulminacci spürte, wie sein Magen sich zusammenkrampfte, sein Herz klopfte und sein Atem sich beschleunigte, als wäre er meilenweit gerannt.
Mochten ihn in den vergangenen Tagen auch manchmal Zweifel und Verwirrung heimgesucht haben, so wusste er jetzt mit absoluter Sicherheit, dass er nicht mehr ohne dieses wunderbare Wesen leben konnte, nicht einmal für kurze Zeit.
»Giovanni«, riss ihn Melchiorri aus seinen Tagträumen, »darf ich dir Gian Pietro Bellori vorstellen, den renommiertesten Kunsthändler der Stadt?«
Der Blick des Malers löste sich widerstrebend von Beatrices tiefgrünen Augen und richtete sich auf die korpulente Gestalt eines Mannes im mittleren Alter mit einem runden, übermäßig geröteten Gesicht, der ihn wohlwollend anlächelte.
»Ich habe schon viel von Euch gehört, Maestro Sacchi«, sagte Bellori, »obwohl ich noch keine Gelegenheit hatte, eines Eurer Werke zu sehen. Wenn es Eure Zeit erlaubt, erweist Ihr mir hoffentlich einmal die Freundlichkeit, mit einer Eurer neuesten Arbeiten in meinem bescheidenen Geschäft vorbeizuschauen.«
»Mit Freuden, Signore. Ich habe vor kurzem eine Serie von Kupferstichen nach dem Alten Testament fertiggestellt, die Euch vielleicht interessieren könnten«, antwortete Fulminacci, hocherfreut über die Begegnung mit diesem Händler, der in den wichtigsten Kreisen verkehrte. Es bedeutete viel, von dem mächtigen Bellori unter die Fittiche genommen zu werden, denn ein Mann wie er konnte mit einem einzigen Wort das Glück eines Malers machen.
»Pater Michelangelo Ricci«, fuhr Melchiorri mit dem Vorstellen fort, »der Lieblingsschüler des großen Torricelli. Sein Ruhm als Himmelsforscher ist gewiss auch an deine Ohren gedrungen.«
»Sehr erfreut, Pater Ricci«, sagte der Maler höflich. »Pater Kircher hat mir viel von Euch erzählt. Er hält Euch für eine Leuchte der Wissenschaft unseres Jahrhunderts.«
Der kleine Augustinermönch errötete über das Kompliment und lächelte.
»Athanasius ist zu großzügig. Ich bin nur ein bescheidener Forscher.« An den französischen Bischof gewandt sagte er: »Ich hoffe, Pater Kircher wird uns heute Abend die Ehre seiner Gegenwart erweisen.«
»Er wird in Kürze im Palast eintreffen. Wie Ihr wisst, hat mein Mitbruder in Christo sich aktiv an der Gestaltung des Festes beteiligt und viele technische Effekte zur Unterhaltung der Gäste konstruiert.«
Die Anspielung auf den Mitbruder wunderte Fulminacci, worauf er den Bischof genauer ansah und an seinem Hals das Kreuz der Jesuiten erkannte, das er zuvor nicht bemerkt hatte.
Die Jesuiten schienen in diesem Palast das Sagen zu haben.
Immerhin war der Übertritt der schwedischen Königin zum Katholizismus im Wesentlichen ihr Werk gewesen. In Frankreich dagegen hatte die Gesellschaft Jesu, nach allem was er wusste, mit nicht geringen Schwierigkeiten zu kämpfen, besonders seit Ludwig XIV. den Thron bestiegen hatte. Dieser Bischof mit dem gebieterischen Auftreten und dem Wohnsitz in der französischen Gesandtschaft bildete offenbar eine Ausnahme. Die einzige Erklärung dafür war, dass der Jesuit eine Rolle in einer Verschwörung oder irgendwelchen Machtintrigen in Rom spielte, wobei die Auswirkungen dieser Intrigen vermutlich weit über die Stadtgrenzen hinaus reichten.
Die Morde an den Jesuiten, der französische Bischof, der grausame Meuchelmörder, der sich in den Straßen Roms herumtrieb – all das deutete darauf hin, dass mächtige Kräfte am Werk waren.
Gott sei Dank gingen ihn diese Angelegenheiten nichts an.
Ihn interessierte nur, unbeschadet aus diesen Scherereien, in die er hineingestolpert war, wieder herauszukommen, um sich ganz der Eroberung von Beatrices Herz widmen zu können.
Ein Mann soll sich Ziele setzen, die er auch erreichen kann – das hatte ihm sein Großvater Guido beigebracht, ein tüchtiger Kaufmann und kluger Mensch.
Politische Verwicklungen waren nichts für ihn. Sollten die Mächtigen doch auf ihre Weise damit zurechtkommen, er hatte einfachere und naheliegendere Dinge im Sinn.
Die Unterhaltung hatte sich derweil auf höfisch-gesellschaftliche Ereignisse verlagert, bei denen der Maler nicht mitreden konnte, da er über den neuesten Klatsch kaum informiert war.
Auch Monsieur de Simara schien sich an dem Geplauder nicht zu beteiligen und mit eigenen Gedanken beschäftigt zu
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