Das Blut des Skorpions
verlieren wollte und befürchtete, dass die Feinde diesen Moment allgemeinen Durcheinanders nutzen könnten, um ihr schändliches Vorhaben in die Tat umzusetzen. Beatrice wollte wie die meisten anderen gern das neue Wunderwerk bestaunen, und er musste Blut und Wasser schwitzen, bis er sie davon überzeugt hatte, dass es zu gefährlich war, sich ins Gewühl zu stürzen.
Als die Freundin sich schließlich von ihm hatte überzeugen lassen und er wieder auf seine Umgebung achten konnte, war das Unglück schon passiert.
Bernardo Mutis Geduld war mittlerweile so gründlich erschöpft, dass er sich fragte, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, an diesem Fest der schwedischen Königin teilzunehmen.
Kaum war er im Palazzo Riario eingetroffen, hatte ihn der allgegenwärtige Pomp angewidert: Hunderte von Dienern, Tausende von Kerzenleuchtern, zahllose Tische, die sich unter Speisen und Getränken bogen, die prunkvollsten Kostüme. Alles sprach von einer obszönen Zurschaustellung von Reichtum, die in einem schreienden Gegensatz zu der Gefährdung der Kirche Petri stand. Nur eitle, gefühllose Menschen konnten eine solch skandalöse Üppigkeit genießen, während die Feinde der Kirche Komplotte schmiedeten, um das Erbe von sechzehn Jahrhunderten christlicher Frömmigkeit zu zersplittern.
Der Kampf hatte gerade erst begonnen!
Und als wäre das alles nicht schon ekelhaft genug, wimmelte es hier von Frauen! Dutzende, Hunderte von Frauen. Alle in tief ausgeschnittenen Kleidern, die beleidigend viel Haut zeigten und davon kündeten, dass die Trägerin weder Keuschheit noch Bescheidenheit kannte. Die Gespräche, die er mithörte, waren fast durchweg eine Abfolge von Zweideutigkeiten, begleitet von anstößigem Zwinkern und zügelloser, öffentlicher Entblößung der eigenen Verderbtheit, der Abgründe der menschlichen Seele.
Ob Jungfrau oder Matrone, ledig oder verheiratet: Alle gaben sie sich ungeniert mit sündigen Gesten, Schmeicheleien und Affektiertheiten der Lüsternheit des Fleisches hin.
Dann, draußen im Freien, hatte der Inquisitor sich der Demütigung aussetzen müssen, den Darbietungen dieser Schmierenkomödianten der Commedia dell’Arte beizuwohnen, deren Vulgarität nur durch die Banalität der behandelten Themen, die Tavernenwitze, die Possenreißereien und die grotesken akrobatischen Verrenkungen überboten wurde. Doch statt die Missbilligung der vielen anwesenden Familienväter zu erregen, wie man berechtigterweise hätte erwarten können, hatte die Aufführung nur allgemeine Heiterkeit ausgelöst, obszönes Gelächter, Applaus und laute Beifallsrufe.
Muti wusste nicht, wie er das alles ertragen sollte.
Wäre er nicht von dem Wunsch einer gerechten Rache an den Schurken beseelt gewesen, die ihn entführt, misshandelt und grausam eingesperrt hatten, hätte er dieses ungehörige Spektakel nicht lange ausgehalten, ohne dass sein Zorn wie glühende Lava aus dem Schlund eines Vulkans hervorgebrochen und darauf niedergegangen wäre.
Die Commedia dell’Arte war noch nicht die letzte Prüfung, der er sich an diesem endlosen Abend ausgesetzt sah. Nach einer kurzen Atempause wurde er von einem neuen teuflischen Machwerk gereizt, einer lauten, zügellosen Musik, die auf einmal den ganzen Park erfüllte und von Gott weiß woher kam.
Angesichts des unnatürlichen Ursprungs der Musik dachte Muti sogleich an eine Erscheinung des Bösen, bis einige Adelige in seiner Nähe ihm erklärten, dass es sich um nichts anderes handelte als eine neue, erstaunliche Erfindung des vielseitigen Genies von Pater Athanasius Kircher.
Statt ihn zu beruhigen, löste diese Nachricht wieder eine Welle der Empörung in ihm aus.
Die Naturgesetze waren seit Anbeginn der Zeit vom Schöpfer festgelegt worden, so verkündete es die Heilige Schrift, und der Mensch durfte sie in seinem gotteslästerlichen Allmachtswahn nicht nach seinem Willen formen, um Vergnügen aus ihnen zu ziehen.
Kirchers Tat war keine einfache Erfindung, sondern ein ausgemachtes Sakrileg!
Fluch über ihn und den Hochmut der Jesuiten!
Wenn er seine Ziele erst einmal erreicht hatte, würden auch Pater Kircher und seine Mitbrüder nicht ungeschoren davonkommen.
Nichts und niemand würde von der reinigenden Flut der Buße und Läuterung verschont werden, die diesen Sündenpfuhl, dieses neue Babylon am Tiberufer, in das sich die Hauptstadt der Christenheit verwandelt hatte, in seinen Grundfesten erschüttern würde!
Falls Muti jedoch dachte, nun am Tiefpunkt angelangt
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