Das Blut des Skorpions
Um die von Euch vorgeschlagene Lösung anzuwenden, müsste man das gesamte System der Blasebälge neu konstruieren, obschon es vielleicht genügen könnte, die Basis der Pfeife zu erweitern, um eine Art Luftkammer zu erhalten…«
Die ursprüngliche Runde war durch das Hinzukommen weiterer Personen, die Fulminacci nicht kannte und die ihm auch niemand vorgestellt hatte, vergrößert worden. Bellori, der Kunsthändler, unterhielt sich mit Michelangelo Ricci und zwei anderen Herren, während Beatrice aufmerksam einer geistreichen Debatte über klassische Dramaturgie folgte.
Außer ihm schienen sich angesichts so geballter Gelehrtheit nur zwei andere Gäste wie Fische auf dem Trockenen zu fühlen, nämlich die beiden deutschen Jesuiten. Als er die Mönche beobachtete, bezweifelte der Maler erneut, dass einer von ihnen ein Spross des schwedischen Königsgeschlechts sein könnte. So verschieden sie von Statur und Gesichtszügen waren, einte sie offensichtlich ein gemeinsames Interesse: sich so viele Speisen und Getränke wie möglich einzuverleiben. Ein nicht gerade königliches Verhalten, fand er.
In der Nähe der beiden Jesuiten hielten sich einige von de Simaras Männern auf, die diskret, aber aufmerksam alle Vorbeigehenden musterten, stets mit dem Gedanken, es könnte sich um den verkleideten Mörder handeln.
Nur die beiden Mönche wirkten ganz sorglos und schienen überhaupt keine Angst zu haben.
Plötzlich, ohne Vorankündigung, erschollen die Klänge eines großen Orchesters aus Streichern und Bläsern und übertönten das Stimmengewirr der Gäste.
Alle sahen sich um und wollten herausfinden, wo das Orchester aufgestellt war, aber niemand konnte es entdecken. Die Musik schien von überall und nirgends zu kommen, was so befremdlich war, dass die Abergläubischeren unter den Geladenen sich bekreuzigten und glaubten, irgendeiner Zauberei zum Opfer gefallen zu sein.
Das unsichtbare Orchester spielte eine derzeit besonders beliebte Melodie, eine fröhliche, rhythmische Gavotte des großen französischen Komponisten Jean-Baptiste Lully, die dazu beitrug, die gute Stimmung der Gäste noch zu steigern.
Während seine Begleiter verwundert umherblickten, erlaubte Pater Kircher sich ein zufriedenes Lächeln und freute sich, dass eine seiner umwälzendsten Erfindungen so gut funktionierte.
»Wie Ihr feststellen könnt, Maestro Fontana, finden die Theorien, die ich Euch soeben dargelegt habe, durchaus praktische Anwendung und erzeugen eine gewisse Wirkung«, sagte der Jesuit. »Aber das ist erst der Anfang. Wenn der liebe Gott mir noch ein paar Jährchen zugesteht, werde ich hoffentlich mein ehrgeizigstes Projekt verwirklichen können: die Wiedergabe von Musik durch mechanische Apparate.«
»Ich bin wirklich beeindruckt, Pater Kircher, beeindruckt und erstaunt. Ihr müsst mir unbedingt erklären, wie Ihr dieses Wunderwerk vollbracht habt!«
Der Jesuitenpater lächelte geschmeichelt und begann einen langen Vortrag über die Ausbreitung von Klang und die Möglichkeit, ihn mithilfe mechanischer Vorrichtungen weit über das natürliche Maß hinaus zu verstärken.
Fulminacci, der bei Kirchers ersten Worten wieder zugehört hatte, verlor sich erneut in einem Labyrinth unbekannter Ausdrücke und schwer zu begreifender Gedankengänge.
Die scheinbar aus dem Nichts kommende Musik verleitete viele Gäste dazu, sich auf die Suche nach dem Orchester zu machen, besonders, nachdem es sich herumgesprochen hatte, dass eine von Pater Kirchers wundersamen Apparaturen im Spiel war. Alle wollten die Erfindung mit eigenen Augen sehen und bezeugen, inwieweit der geniale Jesuit sich wieder einmal selbst übertroffen hatte. Beatrice und Fulminacci ließen sich gemeinsam mit dem Rest des Kreises von der allgemeinen Neugier anstecken. Pater Santini, Bellori, Pater Ricci, Maestro Fontana und die anderen Herren schlossen sich dem Strom an. Es gab neue Verbeugungen, Reverenzen und ein paar wirre Vorstellungsversuche, die halb in der lauten Musik und dem Stimmengemurmel untergingen.
Zu der Gruppe gesellte sich auch eine Dame, die ihr Lächeln nach rechts und links verteilte, aber in der Menge kaum beachtet wurde. Sie suchte unauffällig die Nähe der beiden Jesuiten.
Die Dame war mittleren Alters, soweit man es nach ihrer matronenhaften Gestalt schätzen konnte, denn das Gesicht war fast vollständig hinter einer großen Maske aus dunkler Seide verborgen.
Fulminacci nahm sie nur flüchtig wahr, da er Beatrice auf keinen Fall aus dem Blick
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