Das Blut des Skorpions
zu sein, hatte er die Rechnung ohne den Wirt gemacht.
Eine neue, noch erniedrigendere Prüfung erwartete ihn.
Derweil er krampfhaft versuchte, seine Empörung über diese letzte Marter zu bezähmen, kam ein Aristokrat mit einem spöttischen Lächeln im Gesicht auf ihn zu.
»Pater Muti, was für eine freudige Überraschung, Euch auf dem Fest unserer verehrten Königin zu sehen.« Muti war diesem Menschen schon früher begegnet, hatte sich aber stets gehütet, ein Wort mit ihm zu wechseln. Was er über Ludovico Santinelli wusste, genügte, um seinen tiefsten Widerwillen zu erregen. Ein Lügner, Ehebrecher, Gottloser und Mörder – in anderen, frommeren Zeiten wäre das mehr als genug gewesen, um seinen Kopf auf den Richtblock des Henkers zu befördern. Doch die Laxheit der Sitten hatte in Verbindung mit der Protektion der Königin dazu geführt, dass der Graf, statt seine gerechte Strafe zu erhalten, zu einem Liebling der römischen Gesellschaft geworden war. Muti ging nicht auf sein Konversationsangebot ein und hoffte, der elende Laffe würde nach dieser kühlen Abweisung andere mit seiner unerwünschten Aufmerksamkeit belästigen.
Doch Santinelli ließ sich nicht abwimmeln.
»Ein wunderbarer Abend, findet Ihr nicht, Pater Muti?«, fuhr er fort, ohne das dümmliche Lächeln abzulegen. »Aber das Beste kommt erst noch, glaubt mir. Unsere Königin hat noch größere Überraschungen für ihre Gäste auf Lager. Die Größe einer Herrscherin zeigt sich schließlich nicht zuletzt darin, wie zuvorkommend sie sich ihren Freunden gegenüber erweist.«
Muti reagierte nur mit einem kurzen Nicken.
»Ja, mein lieber Pater, unsere Christine, Gott möge sie schützen, ist wirklich die glanzvollste Herrscherin Europas, findet Ihr nicht?«
Nun stand für Muti fest, dass Santinelli ihn provozieren wollte.
Da hatte der Geck sich aber geschnitten.
Dies war der Abend seiner Rache, und er würde nicht zulassen, dass irgendjemand seine Pläne durchkreuzte.
»Wie ich sehe, seid Ihr ganz meiner Meinung, Pater«, plapperte der Graf weiter, »und was wäre da angebrachter, als das Glas auf die Gesundheit unserer Königin zu erheben? Kellner, herbei, zwei Gläser von dem guten Burgunder!«
Also daher wehte der Wind.
Santinelli rechnete damit, dass er sich weigern würde, auf die Königin zu trinken, und wollte einen Skandal heraufbeschwören, doch an diesem Abend würde er sogar auf den Sultan von Konstantinopel, den Führer der ungläubigen Muselmanen, anstoßen, wenn es seinen Zwecken diente.
»Seht einmal dort, Pater«, sagte der Graf, während er ihm einen Kelch reichte, »ist das nicht Kardinal Cybo, der auf uns zukommt?«
Muti drehte abrupt den Kopf in die angezeigte Richtung.
Kardinal Cybo? Unmöglich. Noch heute Morgen war der Kardinal bettlägerig gewesen, umringt von Ärzten, die vergeblich versuchten, seine schlimmen Bauchschmerzen zu lindern. Schon seit Monaten war sein Gesundheitszustand ernst, wie sollte er sich da so schnell erholt haben, dass er sogar an einem Fest teilnehmen konnte?
Muti ließ den Blick forschend durch die Menge schweifen, fand aber keine Spur von dem Kardinal.
Als er sich wieder dem Grafen zuwandte, lächelte dieser noch ironischer als gewöhnlich. »Verzeiht mir, Pater, ich muss mich getäuscht haben. Aber halten wir uns nicht mit meinen Sinnestäuschungen auf. Nehmt diesen Kelch und stoßt mit mir auf die Ehre Christines an, der Beschützerin der Christenheit!«
Brüsk ergriff Muti das Glas. Vor Ärger über den erlittenen Hohn würde er sich noch an dem Wein verschlucken, den er aufgrund seiner Abneigung gegen die Freuden des Bacchus ohnehin nur widerwillig trank.
Mühsam zügelte der Dominikaner das Bedürfnis, es seinem Peiniger auf der Stelle heimzuzahlen, und zwang sich, den Inhalt des Kelches schnell hinunterzustürzen, wobei er hoffte, dass der unerträgliche Kerl sich damit zufriedengeben und endlich verschwinden würde.
Santinelli kippte den Trank ebenfalls hinunter, jedoch mit einem schmatzenden Genuss, der alles über sein verkommenes Wesen sagte, und setzte wieder sein schmieriges Lächeln auf.
»Es war mir eine Freude, mit Euch zu trinken, Pater, doch jetzt müsst Ihr mich entschuldigen, denn neue Aufgaben rufen mich. Ich habe dort drüben gerade eine liebreizende Dame gesehen, die sich zu langweilen scheint. Wenn Ihr erlaubt, werde ich zu ihr gehen und sie von ihrer Pein erlösen.«
Der Graf verbeugte sich galant und entschwand mit einer anmutigen Drehung.
Muti zitterte
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