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Das Blut des Skorpions

Das Blut des Skorpions

Titel: Das Blut des Skorpions Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Marcotullio
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hatte ihn ein paar Wochen lang nicht gesehen, doch am Abend zuvor war ihm bei einer Partie Karten, bei der ihm das Glück nicht hold war, zu Ohren gekommen, dass sein Freund einige Stillleben an einen englischen Kunsthändler verkauft hatte. Was bedeutete, dass Valocchi zur Zeit flüssig war und die Chancen gut standen, ihm eine Mahlzeit abzuschnorren.
    Valocchi empfing ihn mit großer Herzlichkeit. Er war bester Laune, weil er bereits einen Krug guten Weins geleert hatte, und bot ihm Brot, Käse, Oliven aus Gaeta und einen Krug vollmundigen umbrischen Roten an.
    Der ausgehungerte Maler sprach den festen wie flüssigen Nahrungsmitteln tüchtig zu und lauschte dabei dem Geplauder seines Freundes. Der Flame war in Hochstimmung wegen des guten Geschäfts, das er gemacht hatte, und zeigte sich ausgesprochen optimistisch, was die Zukunft anging.
    »Sechs Bilder hab ich dem Engländer verkauft«, sagte er, »und dabei wird es nicht bleiben. Anscheinend besteht in England eine große Nachfrage nach Stillleben. Der Händler hat weitere bei mir in Auftrag gegeben, auch Landschaften. Du solltest ebenfalls solche Sachen malen. Ich kann dich dem Engländer vorstellen. Er bezahlt gut.«
    Valocchi wohnte schon seit mehreren Jahren in Rom und sprach ein einfaches, aber verständliches Italienisch. Eigentlich hieß er Pieter Van Loocke, aber das konnte kein Mensch aussprechen, und er hatte nichts gegen die Italianisierung seines Namens einzuwenden.
    »Ich male lieber Fresken«, erwiderte Fulminacci zwischen zwei Bissen. »Ein wahrer Künstler sollte wichtige Werke schaffen, die unvergänglich sind. Stillleben bringen Brot auf den Tisch, das stimmt, aber keinen Ruhm ein. Wenn ich anfangen würde, Bilder in Serie zu malen, hätte ich auch gleich in Pavia bleiben und bei meinem Vater als Notar arbeiten können. So etwas ist nichts für mich, ich will Ehre und Bewunderung.«
    »Ich glaube, diese Zeiten sind vorbei«, wandte Valocchi ein. »Es gibt immer weniger Aufträge für Fresken, das weißt du selbst. Zu viele Bildhauer heute, zu viele dekorative Tüncher. Der Geschmack hat sich geändert. Es ist kein Platz mehr für große Werke wie die von Michelangelo oder Carracci. Stattdessen gibt es jede Menge reicher Bürger, die schöne Bilder für ihre schönen Häuser wollen. Gute, sichere Arbeit. Voller Bauch, Holz im Kamin.« Lautes Lachen und Schulterklopfen folgten auf diese Rede.
    Valocchi war ein einfacher Mensch, der gern aß und guten Wein und Geselligkeit liebte. Er war auch ein guter Maler und besaß eine raffinierte Pinseltechnik. Aber es brannte kein heiliger Funke der Begeisterung in ihm. Neben einem vollen Magen und einer gut gebauten Magd zur Gesellschaft hatte er keine großen Ansprüche, im Gegensatz zu Fulminacci, der von unvergänglichem Ruhm träumte.
    »Nein, die guten Zeiten sind nicht vorbei!«, widersprach Fulminacci beinahe wütend. »Wir befinden uns eben in einer Übergangsperiode. Dieser Chigi-Papst ist ein Geizhals, aber wie es aussieht, bleibt er uns nicht mehr lange erhalten. Er hat eine verstopfte Niere und steht mit einem Bein im Grab. Ich bin sicher, dass der nächste Papst die Verwirklichung der großen Pläne der Vergangenheit wiederaufnehmen wird. Es wird reichlich Arbeit und Ehrungen für uns alle geben.«
    »Eher Entbehrungen, scheint mir. Die fetten Jahre sind vorbei, der Papst zählt nicht. In Frankreich ist es vielleicht besser, keine Ahnung. Die Spanier jedenfalls sind arm wie die Kirchenmäuse, und in Flandern war Krieg: viel Tod, viel Zerstörung, wenig Geld. In Italien ist es nicht besser. Der nächste Papst wird genauso knauserig sein wie der jetzige oder noch schlimmer. Verleg dich auf Stillleben, sage ich!« Wieder ein grölendes Lachen.
    Fulminacci nahm den betonten Pessimismus seines Kollegen nicht mehr so ernst. Sie stritten sich über diese Fragen schon, seit sie sich vor zwei Jahren kennengelernt hatten, und trotz nächtelanger Diskussionen zeigte sich keiner von beiden bereit, einen Schritt von seinen Überzeugungen abzuweichen. Dennoch war Valocchi ein guter Freund, ein Habenichts wie er, und obwohl ihre Meinungen über Kunst so stark auseinandergingen, hatten sie sich in schwierigen Zeiten stets gegenseitig geholfen.
    Bald schnitten sie erfreulichere Gesprächsthemen an: die Frauen, das Glücksspiel, den neuesten Klatsch, und so verging der Nachmittag auf angenehmste Weise bei dem einen oder anderen Glas Wein und so mancher pikanten Anekdote. Ohne dass sie es merkten, wurde es

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