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Das Blut des Skorpions

Das Blut des Skorpions

Titel: Das Blut des Skorpions Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Marcotullio
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Dienern, die Laternen abzuschirmen, während in dem Wäldchen, das an die äußerste Terrasse grenzte, einige weiße Stoffbahnen herabgelassen wurden. Die Fanfare endete mit schallenden Trompetenstößen, worauf eine leise, schmelzende Musik die laue Nachtluft erfüllte. Das laute Stimmengewirr wurde gedämpfter, und alle Köpfe wandten sich in dieselbe Richtung. Langsam strömten die Gäste auf das Wäldchen zu.
    Auf den Stoffbahnen begannen bewegte Bilder aufzuflackern, während die Orchestermelodie von der hellen Stimme eines Countertenors oder Kastraten übertönt wurde, der eines der berühmtesten Musikstücke der Epoche anstimmte, eine Arie nach dem Drama Das befreite Jerusalem von Torquato Tasso. Dieser ersten Stimme antwortete bald eine zweite, höher noch und melancholischer, eine Sopranstimme, und zugleich konnte man auf der Leinwand die Umrisse zweier Krieger erkennen, die mit den Waffen in der Hand einen tödlichen Zweikampf ausfochten.
    Derweil Tancredi und Clorinda ihr herzzerreißendes Duett von Liebe und Tod schmetterten, folgten der Maler und der Bischof dem maskierten Mörder, der sich weiter von der Zuschauermenge entfernte.
    Keiner der anderen Suchtrupps war in der Nähe zu sehen. Offenbar patrouillierten de Simaras Männer dort, wo die Menschenansammlung am dichtesten war, weil sie davon ausgingen, dass der Mörder versuchen würde, in der Masse der Gäste unterzutauchen, statt sich in einer einsameren Gegend des Parks in die Enge treiben zu lassen.
    Fulminacci erkannte, dass sie allein mit ihm fertig werden mussten.
    Er akzeptierte diese Tatsache mit fatalistischer Resignation, weil er schon die ganze Zeit geahnt hatte, dass er und der Skorpion sich früher oder später wieder begegnen und mit offenem Visier gegeneinander kämpfen würden, Mann gegen Mann, bis zum bitteren Ende. Dabei zog er es gar nicht in Erwägung, Hilfe vonseiten des Bischofs zu erwarten. Stets darauf bedacht, den Skorpion nicht aus den Augen zu verlieren, musterte er seinen Begleiter kritisch. De Simara wirkte zwar noch sehr rüstig, musste aber die sechzig schon überschritten haben, wenn man nach dem Netz von Falten ging, das sein Gesicht überzog. Und überhaupt, welchen Nutzen konnte ein Geistlicher schon bei einem Kampf mit Hieb- und Stichwaffen haben? Fulminacci seufzte, versuchte ruhig zu bleiben und war überzeugt, dem Tod noch nie so nahe gewesen zu sein.
    Der Mörder hatte inzwischen seine Schritte beschleunigt, war an den letzten, zur Aufführung eilenden Nachzüglern vorbeigegangen und hielt auf den nördlichen Teil des Parks zu, wo der Pflanzenbewuchs dichter und üppiger war.
    »Seid auf der Hut«, warnte der Bischof. »Ich bin sicher, dass er irgendeine Finte versuchen wird, sobald wir zwischen den Bäumen sind.«
    »Was soll er schon groß versuchen? Wir sind ihm dicht auf den Fersen und haben ihn immer im Blick. Er kann höchstens anfangen zu laufen, aber er ist nicht mehr der Jüngste, und ich werde ihn im Nu eingeholt haben.«
    »Unterschätzt ihn nicht, Messer Sacchi. Das wäre ein Fehler, der Euch teuer zu stehen kommen könnte.«
    »Ich unterschätze ihn gewiss nicht, Monsignore. Vergesst nicht, dass ich bereits gegen ihn gekämpft habe. Das ist eine Erfahrung, die man nicht so schnell vergisst.«
    »Am besten, wir treiben ihn noch weiter von den Gästen fort. In einem entlegenen Winkel können wir fern vom Fest die Rechnung mit ihm begleichen.«
    »Ich glaube, er denkt genauso, und das finde ich nicht gerade beruhigend.«
    »Ist er wirklich so gut?« »Er ist höllisch gut, ein unvergleichlicher Fechter, der jeden schmutzigen Trick kennt. Genügt Euch das? Obendrein hat er dieses Schwert, schmal, kurz und leicht gebogen. Sieht fast aus wie ein Kinderspielzeug, nur dass es in seinen Händen zu einem tödlichen Spielzeug wird.«
    »Ich habe davon gehört. Es heißt, es komme aus Japan und sei nach einem geheimen, komplizierten Verfahren geschmiedet worden, wodurch es härter und zugleich biegsamer sei als jede europäische Waffe.«
    »Ich weiß nicht, ob es aus Japan kommt oder von den Inseln der Seligen oder aus dem Land des Priesters Johannes. Jedenfalls ist es rasiermesserscharf und kann einem mühelos das Haupt vom Rumpf trennen.«
    »Schön, das werden wir ja bald sehen.«
    Der Skorpion war in einen von hohen Buchsbaumhecken gesäumten Pfad eingebogen, der zu einem Rondell mit dichter Bepflanzung führte. In diesem Teil des Parks waren die Wege still und verlassen. Nur das Rascheln der Blätter in

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