Das Blut des Skorpions
unversöhnlich auf diese Vipernnester niedergehen, um das Böse zu vertreiben und wieder Gottesfurcht in die heilige Stadt zurückzubringen!«
Azzolini ächzte ungehalten über die Tirade des Dominikaners.
Als genügten diese beiden brutalen Morde nicht, musste er sich jetzt auch noch mit dem blinden Fanatismus dieses Muti auseinandersetzen, des ausführenden Arms der heiligen Inquisition. Azzolini war ein Mann der Kirche, aber vor allem auch ein erfahrener Politiker; er lenkte die Geschicke der katholischen Kirche in einer schwierigen Zeit, in der Europa von antipäpstlichen Bewegungen erschüttert wurde und das Ansehen des Stellvertreters Christi untergraben und geschwächt schien. Was die Kirche in dieser Situation überhaupt nicht gebrauchen konnte, war eine Hexenjagd im großen Stil, eine Welle der Rückschrittlichkeit, die letztendlich nur die ohnehin schon angeschlagene Stellung des Papsttums gefährden würde.
Ein großer Teil Nordeuropas befand sich inzwischen in den Händen der Lutheraner. Der König von Frankreich hatte sich zwar zum Verteidiger des Glaubens erklärt, zeigte sich aber immer weniger bereit, den legitimen Ansprüchen des Papstes Genüge zu tun, während das spanische Reich mit dem Niedergang kämpfte, ohne dass ein Ende abzusehen war.
Der Kardinal war versucht, dem Inquisitor eine scharfe Antwort zu geben, und musste seine ganze Beherrschung aufbieten, um ruhig zu bleiben.
»Mir scheint, Ihr zieht da voreilige Schlüsse, Pater Muti. Es gibt keinen Hinweis auf ein direktes Einwirken des Teufels bei diesen Vorfällen. Im Gegenteil, ich bin davon überzeugt, dass nur allzu menschliche Ziele und Absichten hinter den Verbrechen stecken. Pater Stoltz war zwar eine Art Heiliger, aber das heißt noch lange nicht, dass es in seinem Leben keine Ereignisse und Verbindungen gab, die uns bislang unbekannt waren. Und was Monsignore Klamm angeht, so ist er erst vor wenigen Wochen in Rom eingetroffen. Niemand weiß etwas über ihn. Wir werden eine genaue Untersuchung durchführen und das Motiv hinter diesen Taten herausfinden, dessen könnt Ihr versichert sein. Vorausgesetzt natürlich, es existiert eine Verbindung zwischen den beiden Morden.«
»Die Getöteten waren beide Jesuiten«, entgegnete Bernardo Muti, »das kann kein Zufall sein. Es ist ein greifbarer Beweis dafür, dass der Teufel einen tödlichen Angriff auf das Herz der Kirche selbst, die Gesellschaft Jesu, führen will. Die Soldaten des auferstandenen Christus. Das Bollwerk des Glaubens. Wir dürfen keine Minute verlieren, denn jeder mit Erwägungen vergeudete Moment ist ein Vorteil für den Feind!«
»Eure Lobrede auf die Gesellschaft Jesu überrascht mich, muss ich gestehen«, sagte der Kardinal mit einem feinen Lächeln. »Ich wusste gar nicht, dass Dominikaner und Jesuiten nach zwei Jahrhunderten unerbittlichen Kampfes gegeneinander plötzlich einen Waffenstillstand ausgerufen haben. Im Übrigen möchte ich Euch bitten, mir Eure Angstmacherei und Weltuntergangsfantasien zu ersparen. Momentan ist es wichtiger denn je, Klugheit und Mäßigung an den Tag zu legen. Es liegt nicht im Interesse der Kirche, wenn sich die Ereignisse in der Hauptstadt in ganz Europa herumsprechen. Wie Ihr wisst, sind heikle diplomatische Verhandlungen im Gange, geheime Gespräche, die sich schon viel zu lange hinziehen und nun endlich kurz vor dem Abschluss stehen. Wir können es nicht riskieren, die Zukunft der römischen Kirche aufs Spiel zu setzen, indem wir zu einer planlosen Hexenjagd aufrufen. Abgesehen davon, dass wir, wie gesagt, nicht über genügend Beweismittel verfügen. Dennoch ermächtige ich Euch, Nachforschungen in der von Euch angedeuteten Richtung durchzuführen, allerdings mit der größten Vorsicht und Diskretion. Ihr dürft keine Mittel anwenden, die Unruhe in der Bevölkerung auslösen könnten. Ich hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt.«
»Der Heilige Vater…«, wandte der Dominikaner ein.
»Der Heilige Vater hat bereits Kenntnis von den Vorfällen und ist genauso besorgt wie Ihr und ich. Er selbst war es, der Besonnenheit und Mäßigung empfohlen hat.«
Der Inquisitor beschränkte sich auf ein ärgerliches Kopfrucken und entschwand mit energischen Schritten zum Kirchenportal.
Kardinal Azzolini wusste sehr wohl, dass die Partie noch lange nicht entschieden war. Fürs Erste war es ihm gelungen, Bernardo Mutis fanatische Raserei unter Kontrolle zu bringen, aber das war nicht mehr als eine Verschnaufpause. Die heilige Inquisition
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