Das Blut des Skorpions
würde bald einen neuen Anlauf nehmen und all ihre Hebel in den Fluren des Vatikans in Bewegung setzen, um die Ermittlungen an sich zu reißen.
Und falls die beiden Morde, wie Azzolini befürchtete, nur der Beginn einer langen Serie von Verbrechen waren, würde sich die Situation schnell zuspitzen. Noch ein Todesfall von dieser Tragweite würde dem Inquisitor weitere Munition liefern, und es würde immer schwieriger werden, die Angelegenheit unter Kontrolle zu halten.
Aus diesen und anderen Gründen musste der Fall so schnell wie möglich gelöst werden.
Aber wo sollte man anfangen?
KAPITEL X
Fulminacci hielt sich immer noch vor der Kirche auf und suchte nach einer Möglichkeit, hineinzugelangen und einen Blick auf das Geschehen zu werfen.
Er drückte und schob, boxte und duckte sich, um durch den Kordon der Wachen vor dem Eingang hindurchzuschlüpfen, aber es hatte alles keinen Zweck. Die Absperrung war unüberwindlich.
Inmitten des lärmenden Volks, das die Kirche belagerte, kursierten die wildesten Gerüchte.
Man konnte sich nur leider nicht persönlich vom Wahrheitsgehalt dessen überzeugen, was die üblichen »wohlinformierten Kreise« verbreiteten, und auch die Wachen schienen nicht bereit, Einzelheiten herauszurücken, mit denen die Neugier der Wartenden befriedigt werden konnte.
Stumm und taub blickten sie zwei Handbreit über die Köpfe der Leute hinweg und hielten ihre Piken quer vor den Körper, um jeden Durchbruchsversuch zu vereiteln.
Fulminacci sah ein, dass es sinnlos wäre, länger zu verweilen, und beschloss, sich davonzumachen. Er würde den schönen, sonnigen Tag nutzen und zum Kapuzinerkloster von Santa Reparata spazieren, das vor der Stadtmauer an der Straße nach Viterbo lag.
Vor ein paar Monaten hatten die Mönche ein Fresko bei ihm bestellt, das die Kuppel der zum Kloster gehörigen Kapelle schmücken sollte. Froh, einen Auftrag erhalten zu haben, der seinen Ambitionen entsprach, hatte der Maler sich mit Schwung an die Arbeit gemacht und bald die Entwurfszeichnungen fertiggestellt, um sie dem Prior zur Begutachtung vorzulegen.
Nachdem er dessen Zustimmung erhalten hatte, wollte er mit der Wandmalerei beginnen, als auf einmal rechtliche Probleme zwischen dem Kloster und der Kurie aufgetaucht waren, was die Nutzung einiger Weiden in der Nähe der Abtei betraf.
Von heute auf morgen waren die Arbeiten in der Kapelle abgebrochen worden, weil man warten wollte, bis der Streit entschieden wäre und die Mönche die Gewissheit hätten, über genug finanzielle Mittel zu verfügen, um die Ausführung des Freskos bezahlen zu können.
Mit anderen Worten, sein übliches Pech.
Schon mehrmals hatte er beim Prior vorgesprochen, aber nur wohlfeile Segnungen, vage Versprechungen und nicht einen roten Heller erhalten.
Fulminacci machte sich ohne große Hoffnung auf den Weg, dass sich die Situation inzwischen geklärt haben könnte, aber da er gerade nichts Besseres zu tun hatte, war es immerhin den Versuch wert. Außerdem hielt er es in Anbetracht des Zwischenfalls von gestern Nacht für gesünder, das Stadtzentrum zu meiden, wie ihm auch Beatrice geraten hatte. Es war zwar unwahrscheinlich, dass die Schurken, die ihm aufgelauert hatten, einen Anschlag am hellen Tag unternehmen würden, aber man wusste schließlich nie. Solange er nicht den Grund kannte, weshalb ihm diese Kerle ans Leder wollten, konnte er auch keine Vermutungen darüber anstellen, wie viel sie riskieren würden, um ihr Ziel zu erreichen.
Sicherer war es jedenfalls, sich ein wenig dünne zu machen. Der Weg zum Kloster war zwar weit, aber nach Monaten der Kälte und des schlechten Wetters erschien ihm die Aussicht auf die liebliche römische Campagna in voller Frühlingsblüte verlockend genug.
Er schritt munter aus und blieb hin und wieder stehen, um ein paar schnelle Kohleskizzen von interessanten Ansichten zu zeichnen, die er später für seine Arbeit verwenden konnte.
In einer kleinen Osteria vor den Stadtmauern hatte er das Glück, einen Weißwein zu kosten, der dem Gaumen schmeichelte und sich sehr von den sauren, trüben Tropfen unterschied, die in den meisten Lokalen der Stadt serviert wurden, und das zu einem deutlich höheren Preis.
Daher war es ein fröhlicher und zuversichtlicher Maler, der kurz vor Mittag an die Klosterpforte klopfte, doch seine gute Laune schwand zusehends dahin, je länger er im Vorzimmer warten musste, bis der Prior ihn empfing.
»Mein Sohn«, begrüßte ihn der Kapuzinermönch, als er sich
Weitere Kostenlose Bücher