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Das Blut des Skorpions

Das Blut des Skorpions

Titel: Das Blut des Skorpions Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Marcotullio
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immer eine heiße Suppe und Kredit bekommen hatte.
    In kürzester Zeit hatte sich eine ungewöhnliche und tiefe Freundschaft zwischen ihnen entwickelt, die nicht zuletzt auf ihrem gemeinsamen Schicksal als arme Teufel, die sich mit Mühe und Not über Wasser hielten, beruhte.
    Nach der ersten Bekanntschaft hatten sie sich in regelmäßigen Abständen und mit einer gewissen Häufigkeit wiedergesehen. Von Anfang an jedoch war ihr Verhältnis irgendwie merkwürdig, ja geradezu unnatürlich gewesen, weil er Beatrice, die doch zweifellos sehr anziehend war, nie wirklich als Frau betrachtet hatte. Sie benahm sich manchmal so schroff und redete oft so spöttisch und sarkastisch, dass er sich ihr immer irgendwie unterlegen fühlte. Mit anderen Worten, es war ein bisschen, als hätte er es mit einer älteren, klugen und strengen Schwester zu tun, obwohl Beatrice bestimmt zehn Jahre jünger war. Trotzdem war sie zu einer Art Vertrauten für ihn geworden, die er dankbar als Blitzableiter für seinen Zorn benutzte, wenn er sich einmal wieder als verkanntes Genie empfand.
    Erst jetzt fiel ihm auf, dass Beatrices Eigenleben, ihre persönliche Geschichte, ihre Träume, Pläne und Wünsche für ihn ein Buch mit sieben Siegeln waren.
    Am Abend zuvor, als sie sich hastig im Theater umgezogen hatten, hatte ihn die Erkenntnis ihrer weiblichen Reize wie ein Blitz getroffen.
    Es war wie eine Offenbarung gewesen, unerwartet und aufwühlend.
    Seitdem hatte er trotz aller Gefahren und Verwicklungen immer wieder an seine Verwirrung bei diesem – wenn auch flüchtigen – Anblick der geschmeidigen, anmutigen Körperformen seiner Gefährtin denken müssen. Das Bild hatte sich in seinem Kopf festgesetzt wie ein Holzwurm und hörte nicht auf, an ihm zu nagen.
    Dabei tat Beatrice herzlich wenig, um ihre Vorzüge zur Geltung zu bringen. Ihre Kleidung bestand gewöhnlich aus mehreren übereinandergezogenen Röcken, die bis auf die Füße reichten, einem unförmigen, zu weiten Mieder und einem zerfetzten Schultertuch – eine Aufmachung also, die selbst Aphrodite nicht eben anziehend hätte erscheinen lassen. Trotzdem konnte Fulminacci sich nicht erklären, wieso er bisher nicht bemerkt hatte, wie lieblich die Gesichtszüge der Freundin waren, wie leuchtend ihre Augen, die je nach Lichteinfall hellblau bis violett schimmerten, und wie weich und fließend ihre Haare, auch wenn sie immer alte Bänder und Gazestreifen hineinflocht. Sie glänzten in einem Kupferrot, das an diesen venezianischen Maler namens Tizian erinnerte, von dem er während eines kurzen Besuchs in der Lagunenstadt einige Gemälde hatte bewundern dürfen.
    Fulminacci merkte, dass seine Gedanken eine gefährliche Richtung nahmen, konnte aber nichts dagegen tun. Anders als sonst ging es hier nicht bloß um körperliche Anziehung; da war noch mehr, etwas Stärkeres, Tieferes, Erregenderes, eine Art süße Qual, als würde jemand genüsslich ein scharfes Stilett in seinem Herzen umdrehen. Als wäre ihm ein Teil seiner selbst entrissen worden und er sehnte sich nun ständig danach, diesen Teil zurückzuerlangen.
    Es war ein dumpfer, pulsierender und zugleich brennender Schmerz, gegen den er nichts tun konnte.
    Eines wusste er sicher: Es handelte sich hierbei nicht um das normale, gesunde, fleischliche Begehren, das er für die vielen Dienstmädchen, Küchenmädchen, Wäscherinnen und Schneiderinnen empfunden hatte, mit denen er im Laufe der Jahre kürzere oder längere intime Beziehungen eingegangen war. Das war schlicht und einfach Fleischeslust gewesen, die ohne Probleme befriedigt werden konnte.
    Diesmal jedoch spürte er, ohne es genauer begründen zu können, dass der rein körperliche Liebesakt nicht genügen würde, um diesen Schmerz zu lindern, diesen anscheinend unstillbaren Durst zu löschen. Er fand noch nicht einmal ein passendes Wort, um dieses neue Gefühl zu beschreiben.
    Der Innenhof der französischen Gesandtschaft lag zu dieser Morgenstunde noch verlassen da.
    Trotz der scheinbaren Ruhe mied der Kardinal den Haupteingang und trat durch eine kleine Seitentür ein, die direkt zu den Gemächern von Bischof de Simara führte.
    In einem kleinen Vorraum stieß er beinahe mit einer jungen Frau zusammen, die in einen bauschigen, bunten Rock gehüllt war und lange, kupfern schimmernde Haare hatte. Statt bei der Begegnung mit einer hochgestellten Persönlichkeit wie ihm die Augen zu senken, blickte sie ihm furchtlos ins Gesicht, sodass er ihre außergewöhnliche Schönheit

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