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Das Blut des Skorpions

Das Blut des Skorpions

Titel: Das Blut des Skorpions Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Marcotullio
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entzogen.
    Das Gemetzel und die Zerstörung der Gebäude gingen weiter, bis keiner der Bewohner mehr lebte und alles in Flammen stand.
    Er hatte Friedrich Bergbaum, ihren Nachbarn, der das Massaker anführte, genau erkannt.
    Dieser Nachbar war das Oberhaupt des katholischen Lagers im Dorf.
    Es hatte erbitterte Streitgespräche zwischen ihm und seinem Vater gegeben, vor allem in letzter Zeit, aber niemand hätte je gedacht, dass dieser dicke, gichtige, joviale Mann zu gewalttätigen Mitteln greifen würde, um den Disput zu beenden.
    Nun, da die päpstlichen Truppen immer näher rückten, hatte er offenbar den Mut gefunden, einen Haufen von Mordbrennern um sich zu versammeln und sich seinen Vater, das Oberhaupt der lutherischen Partei und Besitzer des reichsten Gutes in der Umgebung, vom Hals zu schaffen.
    Als das Gut nur noch aus rauchenden Trümmern bestand, war die Bande in langsamem Trab abgezogen und hatte die verschonten Tiere und zwei Wagen voll Diebesbeute mit sich geführt.
    Er war den ganzen Tag und die folgende Nacht auf dieser grasbewachsenen Anhöhe geblieben, unfähig, sich zu rühren, unfähig zu weinen, innerlich vollkommen leer, ohne jedes Gefühl.
    Bei Sonnenaufgang hatte er endlich die Kraft gefunden, aufzustehen und zu den qualmenden Überresten hinunterzugehen.
    Er hatte fast den ganzen Tag gebraucht, um seine Mutter, seinen Vater, seine Brüder und die anderen Männer, Frauen und Kinder des Hofes zu begraben, die überall verstreut lagen, wo der Tod sie getroffen hatte.
    Er hatte ohne Pause geschuftet, mit trockenen Augen und ohne sich um Müdigkeit, Trauer und die Nachwirkungen des Grauens zu kümmern.
    Als die Nacht hereinbrach und sein barmherziges Werk getan war, hatte er sich auf den Weg zu seiner Schwester gemacht, dem einzig sicheren Zufluchtsort, auf den er hoffen konnte.
    Er war die ganze Nacht und einen Großteil des folgenden Tages marschiert.
    Als er vor dem Haus der Schwester stand, war er vollkommen erschöpft und hatte hohes Fieber.
    Hilfreiche Hände hatten ihn in Empfang genommen, aber er konnte nur noch einen unzusammenhängenden Bericht über das Geschehen auf dem Gut stammeln, dann war er in eine tiefe, von Erschöpfung, Fieber und Schrecken ausgelöste Bewusstlosigkeit gefallen.
    Fast zwei Wochen lang hatte er zwischen Leben und Tod geschwebt. Wäre er nicht so jung und gesund gewesen, wäre er gestorben, aber er hatte eine kräftige Konstitution und überlebte.
    Und er beschloss, Rache zu nehmen.
    Als er wieder auf den Beinen war, hatte er sich dermaßen verändert, dass selbst seine Schwester ihn kaum wiedererkannte.
    Aus dem rundlichen, pausbackigen Jungen war ein magerer junger Mann geworden, der wie von innen ausgezehrt wirkte. Seine Fröhlichkeit und Liebenswürdigkeit hatten einer düsteren Schweigsamkeit Platz gemacht. Er kam rasch wieder zu Kräften, aber seine gewohnte Unbekümmertheit gewann er nie mehr zurück.
    Eines Nachts hatte er, ohne jemandem Bescheid zu sagen, ein Pferd und eine kleine Sichel aus dem Stall geholt, die einzige Waffe, deren er habhaft werden konnte, und sich auf den Weg gemacht.
    Zur dunkelsten Stunde hatte er sein Ziel erreicht und war im Schutz der Finsternis in das Gehöft von Meister Bergbaum eingedrungen.
    Der Grundbesitzer schlief selig in seinem großen Federbett neben seiner Frau.
    Er hatte sie beide abgestochen wie die Schweine.
    Falls er befürchtet hatte, dass ihm im entscheidenden Moment die Hand zittern würde, so erwies sich diese Sorge als unbegründet. Sein Arm, der die Waffe führte, bewegte sich fest und sicher, und die Klinge erledigte ihre Arbeit schnell und effizient.
    Da sein Rachedurst noch nicht gestillt war, war er vom Zimmer der Eheleute zu den sechs Kindern gegangen und hatte auch sie nacheinander umgebracht. Nur der älteste Sohn, der ungefähr in seinem Alter war, hatte noch Zeit gehabt aufzuwachen, bevor die scharfe Klinge seine Kehle traf.
    Er nahm nichts mit, kein Geld, keinen Schmuck, keine Wertgegenstände. Auf einer Truhe neben dem Bett der Eheleute fand er jedoch einen Bernstein in einer fein ziselierten Silberfassung. Einen Bernstein, in dessen Mitte er einen winzigen, perfekt erhaltenen Skorpion erkannte.
    Einer plötzlichen Regung folgend, die er selbst nicht zu erklären wusste, hatte er das Schmuckstück an sich genommen und an seinen Gürtel gehängt. Dann, als sein Werk vollendet war, war der junge Mörder in Richtung Norden weitergezogen.
    Der Skorpion erinnerte sich an diese Nacht vor vierzig

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