Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Blut des Skorpions

Das Blut des Skorpions

Titel: Das Blut des Skorpions Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Marcotullio
Vom Netzwerk:
Jahren, als wäre es gestern gewesen. Was sich ihm besonders eingeprägt hatte, war das Gefühl der Befriedigung, diese fast körperliche Lust, die er beim Töten dieser Familie empfunden hatte. Eine Befriedigung und eine Lust, die sich nicht allein mit dem gestillten Rachebedürfnis erklären ließen.
    Es war noch etwas Dunkleres, tiefer Gehendes, was ihn antrieb.
    Dieselbe Befriedigung und dieselbe intensive Lust hatte er gefühlt, als er einen Unbekannten im Auftrag eines anderen getötet hatte.
    Und jedes Mal wieder, bei jedem Mord.
    Innerhalb weniger Jahre war er zu einem Heimatlosen ohne Wurzeln und Identität geworden.
    Er war der Skorpion geworden.
    Ungehalten rieb er sich die Nasenwurzel. Er war müde und unruhig zugleich. Diese Erinnerungen lenkten ihn stets zu sehr ab – besser wäre es, nicht an die Vergangenheit zu denken. Noch besser, überhaupt nicht zu denken und sich auf das Tun zu konzentrieren.
    Er richtete seinen Blick wieder bewusst auf die Piazza und merkte sogleich, dass es doppelt gefährlich war, sich in Erinnerungen zu verlieren. Während sein Geist in der fernen Vergangenheit herumgestreift war, hatte seine Wachsamkeit nachgelassen, und er hatte nicht mehr auf seine Umgebung geachtet.
    Als er erkannte, was vor sich ging, war es schon beinahe zu spät.
    An der anderen Seite der Piazza hatte sich eine Gruppe von Männern versammelt, die aus den Seitengassen aufgetaucht sein mussten.
    Sie waren wie Bauern gekleidet, waren aber mit Sicherheit keine Bauern. Sein geübter Blick und dieser sechste Sinn, der ihn schon oft aus Gefahren gerettet hatte, sagte ihm, dass hier etwas nicht stimmte.
    Die Männer schlenderten über den Markt, als interessierten sie sich für die ausgestellten Waren, aber der Skorpion wusste, dass sie nach ihm suchten.
    Er reagierte in Windeseile, schnappte seinen Umhang, den Hut und das Schwert und war schon aus dem Zimmer und auf der Treppe, als ein paar von den Schergen sich anschickten, die Schankwirtschaft im Erdgeschoss zu betreten. Er lief zum hinteren Teil der Taverne, sauste wie der Blitz durch die Küche und kam auf der Rückseite des Hauses heraus, in einer engen Gasse voller Abfälle.
    Mit entschlossenen Schritten, aber ohne der Versuchung nachzugeben, sofort loszurennen, ging der Skorpion durch die Gasse, überquerte eine Kreuzung und bog in eine größere Gasse ein, die quer zu der vorigen verlief und belebter war, sodass er sich unter die Passanten mischen konnte.
    Er bezweifelte, dass seine drei Komplizen in der Taverne die herannahende Gefahr genauso schnell erkannt hatten; wahrscheinlich waren sie beim Eindringen des Feindes gerade beim Zechen oder vergnügten sich mit einer Hure. Er hatte keine Zeit, sich Gedanken um sie zu machen, und verspürte auch keinerlei Bedauern über ihr Schicksal. Wer diesen Beruf ausübte, kannte die Risiken und wusste, dass er beim Gefasst werden genauso viel Gnade zu erwarten hatte, wie er seinen Opfern gegenüber zeigte.
    Der Skorpion besaß noch einen anderen Schlupfwinkel in der Stadt.
    Wenn es ihm gelang, ihn zu erreichen, war er in Sicherheit, zumindest für einige Tage, einige Stunden. Er brauchte nicht mehr viel Zeit. Die Liste seines Auftraggebers wurde immer kürzer.
    Noch vier Namen, noch viermal entschlossen zuschlagen.
    Danach würde er in den Norden zurückkehren können. Wo er auf einen neuen Auftrag warten würde.
    Es war noch nicht an der Zeit, sich zur Ruhe zu setzen.

KAPITEL XXVII
     
    Capitaine de la Fleur zeigte sich wenig zufrieden mit dem Ablauf der Aktion. Dabei war es dank der Porträtzeichnung, die de Simara mehrfach hatte kopieren lassen, zuerst recht einfach gewesen, die Herberge auszumachen, von der aus der Gesuchte sein Unwesen trieb. Mehrere Bewohner des Viertels hatten nach anfänglicher Zurückhaltung, die bei dem verbreiteten Misstrauen gegenüber den Sbirren nur natürlich war, den Mann wiedererkannt. Einige großzügig verteilte Münzen hatten auch die widerstrebendsten Zungen gelöst, und durch die gesammelten Hinweise hatten er und seine Leute den Ort ermitteln können, an dem sie den Mann, nach dem sie schon seit Monaten suchten, finden würden.
    Es handelte sich um ein Gasthaus an einem Platz, auf dem ein kleiner Markt abgehalten wurde. Der Capitaine musste zugeben, dass das Versteck mit Verstand gewählt worden war. Der Vordereingang befand sich direkt am belebtesten Teil des Marktes, weshalb es schwierig wäre, ihn mit einem größeren Aufgebot von Männern durch das Gedränge zu

Weitere Kostenlose Bücher