Das Blut des Skorpions
Kleine. Eigentlich schade, dass wir dich diesen bösen Männern übergeben müssen, wo du doch so niedlich bist.«
»In Ordnung, ich habe verstanden«, sagte die Kartenlegerin und griff nach dem letzten Strohhalm. »Wie viel?«
»Ich glaube, ich habe Euch nicht richtig verstanden, mein Fräulein«, verspottete sie der Schielende unter dem Gelächter seiner ruchlosen Kumpane.
»Du hast mich sehr gut verstanden, du Dreckskerl. Wie viel wollt ihr, damit ihr mich gehen lasst? Ich kann nicht viel bezahlen, aber wir werden uns schon einig…«
Das letzte Wort wurde ihr durch eine heftige Ohrfeige abgeschnitten, die ihren Kopf zur Seite fliegen ließ.
»Halt’s Maul, du Zigeunerhure! Bindet ihr die Hände auf den Rücken. Die Inquisitoren werden sich freuen, ihre Gottesliebe auf dem zarten Fleisch dieser Dirne austoben zu können. Lasst das Boot kommen. Ich schätze, für diesen Fang kriegen wir eine dicke Belohnung.«
KAPITEL XXXII
Der Skorpion überquerte eine Piazza und tauchte in ein Gassengewirr ein, in dem sich mehrere Fuhrwerke stauten. Er spürte, dass sich die Schlinge enger um ihn zusammenzog, doch das beflügelte ihn nur, statt ihm Angst zu machen.
In den wenigen Minuten, die er gebraucht hatte, um vom einen Ende der Piazza zum anderen zu kommen, hatte er einen kühnen Plan ausgearbeitet, mit dem er sich der Gefangennahme zu entziehen gedachte. Zunächst einmal galt es festzuhalten, dass das Eindringen der Soldaten in die Taverne ziemlich stümperhaft vonstattengegangen war: Als die ersten Schergen durch den Haupteingang hereingestürmt kamen, war das Gebäude noch nicht vollständig umstellt gewesen. Was bedeutete, dass seine Gegner sich weder durch taktisches Geschick noch durch eine gute Koordination ihrer Einsatzkräfte auszeichneten. Die Sbirren der Stadtpolizei waren nach wie vor ein zusammengewürfelter Haufen von Männern, die mehr aufgrund von Empfehlungen irgendeines einflussreichen Fürsprechers als wegen ihrer Fähigkeiten eingestellt wurden. Hinzu kam, dass die Truppen, welche die Viertel durchkämmten - nach dem zu urteilen, was er hier und da aufgeschnappt hatte –, aus gemischten Einheiten von Italienern und Franzosen bestanden, was mit Sicherheit für Konfusion sorgte. Nicht nur wegen der Verständigungsschwierigkeiten, sondern auch, weil Franzosen und Italiener in Rom seit einiger Zeit nicht gut aufeinander zu sprechen waren. Erst vor ein paar Jahren hatte eine Wirtshausschlägerei zwischen einigen korsischen Wachen vom Geleitschutz des französischen Gesandten und einer Bande italienischer Raufbolde beinahe zu einem ernsten diplomatischen Zwischenfall geführt. Die Italiener hatten, wie man wusste, ein langes Gedächtnis für solche Zusammenstöße, und es waren nicht wenige Ressentiments zurückgeblieben.
Unter diesen Umständen blieb seinen Verfolgern nichts anderes übrig, als sich mehr auf ihre große Zahl denn auf ihren Scharfsinn zu verlassen. Bestimmt hatten sich die Franzosen und die Männer des Kardinals von der Herberge aus fächerförmig verteilt und patrouillierten durch alle Straßen, um ihn zum Flussufer zu drängen, wo sie die Brücken und Anlegestellen überwachten. Eine ähnliche Taktik wurde auch bei der Wildschweinjagd angewandt, indem die Treiber breit ausschwärmten und das Wild in eine abgeschlossene Schlucht trieben. Der Unterschied bestand darin, dass die Jäger es hier nicht mit einem verängstigten Tier zu tun hatten, sondern mit einem erfahrenen Berufsverbrecher, der an solche Situationen gewöhnt war.
Sein Gegenzug würde einfach und folgerichtig sein: Er würde warten, bis das Netz sich eng um ihn zusammengezogen hatte, um dann mithilfe einer der vielen Listen, die er in fast einem halben Jahrhundert seiner Laufbahn entwickelt hatte, durch die Maschen zu schlüpfen.
Nur eines machte ihm Sorgen.
Nach dem Verlauf der letzten Stunden lag es auf der Hand, dass seine Gegner wussten, wie er aussah. Am Flussufer, bei den Anlegeplätzen der Fährleute, hatte er wiederholt beobachtet, dass die Soldaten irgendwelche Blätter herumzeigten. So unwahrscheinlich es auch schien, sie waren offenbar im Besitz einer Zeichnung von ihm.
Daran konnte nur einer schuld sein: dieser verdammte Maler, der ihm nicht nur das Amulett geklaut, sondern sich offenbar auch die Mühe gemacht hatte, ein Porträt von ihm anzufertigen, das Azzolini und de Simara prompt hatten vervielfältigen lassen.
Der Skorpion nahm sich erneut vor, die Rechnung mit diesem lästigen Schmierfink
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