Das Blut des Skorpions
ihn einen Moment, während er mit der linken Hand die verstreuten Karten neben dem Weinkrug zusammenschob.
»Sie suchen Euch, Signore«, sagte der Mann, »und sie sind schon ganz nahe.«
Der Skorpion hatte nicht damit gerechnet, dass der ungehobelte Spieler ihn ansprechen würde, noch dazu auf diese Weise. Sein erster Impuls war es, sein Schwert zu ziehen und es ihm in den Hals zu stoßen, doch die ruhige Miene und der offene, direkte Blick des Fremden besänftigten ihn irgendwie. Er konnte sich sein Verhalten selbst nicht erklären.
»Keine Sorge, Signore«, fuhr der Spieler fort, »wir sind Freunde und wurden geschickt, Euch aus der Bredouille zu helfen. Nicht alle in Rom wollen Euch das Fell über die Ohren ziehen.«
»Wer seid Ihr?«, fragte der Skorpion mit vom langen Schweigen rauer Stimme.
»Das ist nicht von Bedeutung. Ihr braucht nur zu wissen, dass wir Euch helfen wollen.«
»Wer schickt Euch? Antwortet, zum Teufel, oder macht Euch bereit, Euch zu verteidigen.«
»Wir haben keine Zeit zum Reden. Die Männer des Kardinals sind Euch auf den Fersen, und außerdem ist hier zu viel Pack.«
Der Mann hatte sein ordinäres Wesen abgelegt und sprach jetzt recht manierlich.
»Folgt uns, wenn Euch Euer Leben lieb ist. Wir bringen Euch am anderen Flussufer in Sicherheit. Dort gibt es jemanden, der Euch sehen möchte.«
Der Skorpion blickte sich um und überdachte schnell die Lage. Auch wenn er als Fechter seinesgleichen suchte, war er nicht sicher, vier bewaffnete, entschlossene Männer ohne Weiteres überwältigen zu können. Und selbst wenn er sie tötete oder in die Flucht schlug, würde das Kampfgetümmel die Aufmerksamkeit der Sbirren erregen, die die Stadt durchkämmten und inzwischen in nächster Nähe sein mussten. Er kannte diese Männer nicht und traute normalerweise niemandem. Andererseits blieb ihm keine große Wahl. Falls die vier tatsächlich freundliche Absichten hegten, konnte er nur gewinnen. Sollte sich jedoch herausstellen, dass sie ihm feindlich gesonnen waren, würde er sich ihrer trotzdem besser woanders entledigen können. In einer einsamen Gasse dürfte es ihm nicht schwerfallen, ein paar drittklassige Gauner wie sie loszuwerden.
Er stand auf und machte seinem Gegenüber ein Zeichen, ihm zur Tür vorauszugehen.
Draußen nahmen ihn die vier in die Mitte und fingen wieder an, mit heiseren Säuferstimmen herumzugrölen und sich unter die Leute zu mischen. Schulter klopfend und Witze reißend gingen sie durch die Gasse und kamen auf einer mit ärmlichen Verkaufsständen vollgestopften Piazzetta heraus. Sie überquerten sie und bogen in eine weitere Gasse voll von verdorbenem Gemüse ein, das noch nicht einmal die Elenden des Viertels aufsammeln mochten. Hier gingen sie nur wenige Meter, wobei sie versuchten, dem fauligen Matsch in der Mitte des Wegs auszuweichen, und blieben dann vor der Werkstatt eines Färbers stehen.
Drinnen herrschte eine infernalische Hitze, und der Gestank der Färbemittel und der Gerbsäuren war so stark, dass dem Skorpion kurz schwindelte. Die Männer führten ihn durch einen Innenhof in einen Lagerraum, in dem die Stoffballen und das zusammengerollte gegerbte Leder aufbewahrt wurden.
»Wie habt Ihr mich gefunden?«, fragte der Skorpion.
Wortlos gab der Anführer des Quartetts ihm ein dünnes Blatt Papier, mit dem er sich an den Eingang stellte, um es bei vollem Licht betrachten zu können. Er sah seine eigenen Gesichtszüge, die mit wenigen Kohlestrichen hingeworfen, aber erstaunlich gut getroffen waren. Die Zeichnung war offensichtlich von einem besseren Original dieses dreimal verfluchten Malers abgepaust worden, der seinen Weg in den letzten Tagen genau zweimal zu viel gekreuzt hatte.
Wenn ein Bild von dieser Ähnlichkeit im Umlauf war, hatte er ohne die Hilfe dieser vier Fremden wenig Chancen, seinen Hals aus der Schlinge zu ziehen. Das Porträt musste in großer Zahl kopiert worden und an jeden Schergentrupp verteilt worden sein.
»Hier, Signore. Zieht diese Kleider an.«
»Was habt Ihr vor?«, fragte der Skorpion.
Der Mann grinste. »Wir werden den Schergen des Kardinals einen schönen Streich spielen. Diese Kleider sind Euer Passierschein für die andere Flussseite.«
KAPITEL XXXIII
Fulminacci lief in dem beengten Raum der Hütte hin und her wie ein Tiger im Käfig.
Beatrice war immer noch nicht zurück, und den Slawen hatte er seit gestern nicht mehr gesehen. Die düstersten Vorstellungen schwirrten in seinem Kopf herum.
Seit er diesen
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