Das Blut des Teufels
über das Knattern der Rotoren hinweg. Der Abt reichte dem schmallippigen Chilenen eine Hand voll Scheine. Man hatte sich offenbar über den Preis geeinigt.
Neben dem Hubschrauber warteten die letzten Kisten mit Ausrüstung für die Grabung und den Abriss immer noch darauf, an Bord gebracht zu werden. Henrys Blick fiel auf vier von ihnen, in deren Holz eine kyrillische Aufschrift gebrannt war. Russische Schmuggelware: Granaten, AK-47 Sturmgewehre, Plastiksprengstoff. ’ne Menge Bewaffnung für ein Team von Archäologen, dachte Henry grimmig.
Der Abt winkte seinen Wächtern, sie sollten ihn zu den beiden Helikoptern zurücktreiben. Henry gab sich keinen Illusionen hin. Auch er war nur ein Teil der Ausrüstung, ein weiteres Werkzeug, das benutzt und dann weggeworfen wurde. Er hatte den Verdacht, dass er wie Dr. Kirkpatrick an der Johns Hopkins enden würde, mit dem Gesicht nach unten und einer Kugel im Rücken – ebenso Joan, Sam und die anderen Studenten.
Als er zum Helikopter zurückgeführt wurde, leistete er keinerlei Widerstand. Solange Joan gefangen war, musste er abwarten und aufmerksam auf jede sich eventuell bietende Gelegenheit achten. Während er die provisorische Landebahn überquerte, rief er sich ihren letzten gemeinsamen Augenblick ins Gedächtnis zurück. Er erinnerte sich an den Duft ihres Haars, an das Gefühl, als ihre Haut über die seine gestreift war, als sie ihm etwas ins Ohr geflüstert hatte, an die Wärme ihres Atems auf seinem Hals. Beim Gedanken an die Gefahr, der sie sich gegenübersah, bekam er feuchte Hände. Ihr durfte nichts zustoßen. Weder jetzt noch später. Er würde einen Weg finden, sie zu befreien.
Als er den wartenden Helikopter erreichte, strahlte Abt Ruiz über das ganze Gesicht. »Wir fliegen los, Professor Conklin«, dröhnte er und bestieg die Kabine. »Zu Ihren Ruinen.«
Henry quittierte das joviale Gehabe des Mannes mit einem Stirnrunzeln, bevor er sich auf Anweisung des Wächters neben ihn setzte und sich anschnallte.
Ruiz beugte seine massige Gestalt vor und sprach mit dem Piloten. Sie mussten die Köpfe eng zusammenstecken, um einander verstehen zu können. Der Pilot zeigte auf seinen Sprechfunk. Als sich der Abt wieder an Henry wandte, war das Lächeln verschwunden. »Anscheinend gibt’s da oben weitere Probleme«, meinte er.
Henry schlug das Herz heftiger in der Brust. »Wovon sprechen Sie?«
»Ihr Neffe hatte kurz Kontakt mit dem Studenten an den Ruinen. Der Fotograf vom National Geographic ist anscheinend in Schwierigkeiten geraten.«
Henry erinnerte sich an Philips Beschreibung von Normans Verletzung. Er hatte nicht lange genug reden dürfen, um Einzelheiten in Erfahrung zu bringen, und wusste nur so viel, dass der Fotograf medizinische Betreuung benötigte. »Was ist los?«
Der Abt stieg wieder aus dem Helikopter. »Wir ändern unsere Pläne«, verkündete er mit finsterer Miene. »Ich muss noch mal verhandeln. Wir brauchen noch mehr Treibstoff, genug, dass wir direkt zu den Ruinen fliegen können. Keine weiteren Stopps mehr.«
Henry fasste Ruiz am Arm. »Was ist passiert?«
Einer der Wächter schlug seine Hand weg. Aber Ruiz gab Antwort. »Ihr Neffe ist offenbar der Ansicht, dass die Inka den Fotografen opfern wollen.«
Henry wirkte bestürzt.
Abt Ruiz tätschelte ihm das Knie. »Machen Sie sich keine Sorgen, Professor Conklin. Vielleicht können wir den Fotografen nicht retten. Aber wir sind da oben, bevor die anderen umgebracht werden.« Dann duckte sich der große Mann unter die Rotoren und hielt dabei seinen Safarihut fest.
Henry lehnte sich in seinen Sitz zurück und ballte die Hände zu Fäusten. Blutrituale. Daran hatte er überhaupt nicht gedacht, und das, obwohl er die religiösen Zeremonien der Inka kannte! Sam und die anderen saßen jetzt zwischen zwei blutrünstigen Feinden in der Falle – den Schülern der spanischen Inquisition und einem verschollenen Stamm von Inkakriegern.
Durch das Fenster sah er, wie der Abt dem Piloten ein Zeichen gab, als Handlanger der Guerillas zwei weitere Ersatztanks auf den wartenden Helikopter zurollten.
Henry kniff die Augen zusammen. Er hatte den Verdacht, dass es nicht Altruismus war, was den Abt zur Änderung seiner Pläne bewogen hatte. Es ging nicht darum, den anderen Studenten das Leben zu retten, sondern Ruiz’ Anteil an dem zu schützen, was da oben liegen mochte. Wenn Sam und die anderen getötet würden, wäre der Platz der Sangre -Hauptader möglicherweise verloren, vielleicht wieder für Jahrhunderte.
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