Das Blut des Teufels
Dieses Risiko wollte Abt Ruiz nicht in Kauf nehmen. Zwei weitere Packen Geldscheine wurden dem jetzt lächelnden Chilenen übergeben.
Henry hörte ein Kratzen und Knallen, als die Ersatztanks unter dem Landegestell festgemacht wurden. Der Abt kehrte eilig zum Helikopter zurück.
Henry legte den Kopf in den Nacken und stöhnte leise.
Die Zeit lief ihnen davon – ihnen allen.
Maggie sah zu, wie Sam in dem steinernen Raum hin und her lief wie ein aufgestachelter Bulle vor dem Kampf. Er hielt seinen Stetson so fest, dass die Fingerknöchel schon weiß waren, und schlug mit ihm zum wiederholten Mal auf seinen Oberschenkel. Er trug wieder Jeans und Weste, die gereinigt und getrocknet worden waren. Maggie hatte den Verdacht, dass der Kleiderwechsel seinen Ärger und seine Enttäuschung über die Inka zum Ausdruck brachte.
Obwohl sie seine Haltung verstand, trugen sie und Denal nach wie vor die lockere Kleidung der Inka, da sie ihre Gastgeber nicht beleidigen wollten.
Sam hatte den ganzen Nachmittag lang versucht, den Schamanen dazu zu bringen, dass er ihnen den Zutritt zum Tempel erlaubte oder Norman zurückbrachte. Kamapaks Antwort war stets die gleiche geblieben; Sam konnte sie mittlerweile selbst übersetzen: »Es ist verboten.« Und da er nicht in Erfahrung bringen konnte, wo dieser heilige Tempel verborgen lag, konnten sie auch keinen Rettungsplan austüfteln. Das bewaldete Tal erstreckte sich gut und gern über mehrere tausend Quadratmeter. Sie waren der Gnade der Inka ausgeliefert.
»Ich habe Philip angerufen und ihn von der Lage in Kenntnis gesetzt«, sagte Sam atemlos. »Aber er ist keine große Hilfe!«
Maggie berührte ihn am Arm und Sam blieb stehen. »Beruhige dich, Sam.«
Seine Augen schimmerten feucht vor Schuldgefühlen und Verzweiflung. »Es ist meine Schuld. Ich hätte ihn nie allein lassen dürfen. Wo habe ich bloß meinen Kopf gehabt?«
»Sie haben uns herzlich und als Teil ihres Stammes aufgenommen. Das mit Norman hättest du unmöglich vorhersehen können.«
Sam schüttelte den Kopf. »Ich hätte trotzdem Vorsichtsmaßnahmen treffen sollen. Zuerst Ralph … jetzt Norman. Wenn ich bloß … wenn ich bloß …«
»Was?«, fragte Maggie. Sie hielt seinen Arm jetzt eisern im Griff und würde dafür sorgen, dass er ihr zuhörte. Dass er so wütete und sich an die Brust schlug, half niemandem. »Was hättest du tun sollen, Sam? Nehmen wir an, du wärst dagewesen, als die Inka gekommen sind – wie hättest du sie daran gehindert, Norman mitzunehmen? Jeglicher Widerstand hätte möglicherweise bloß dazu geführt, dass wir alle umgebracht worden wären.«
Sam erschauerte unter ihrem Griff und sein Blick klärte sich. »Was also sollen wir tun? Warten, während sie sich einen nach dem anderen holen?«
»Wir gebrauchen unsere Köpfe, das tun wir. Wir müssen klar denken.« Maggie ließ ihn los. Jetzt würde er ihr bestimmt zuhören. »Zunächst einmal glaube ich nicht, dass sie sich uns holen. Norman war verwundet, deshalb ist er zum Tempel gebracht worden. Wir nicht.«
»Vielleicht …« Sam sah zu Denal hinüber, der an der Matte vor dem Eingang stand und hinausspähte. Er senkte die Stimme. »Aber was ist mit ihm? Sie bringen die Kinder auch dorthin.«
»Denal hat die Pubertät hinter sich. Für die Inka gilt er als Erwachsener. Ich glaube nicht, dass für ihn ein Risiko besteht.«
»Aber hast du gesehen, wie sie ihn anstarren, wenn er an ihnen vorübergeht? Als wären sie neugierig und leicht verwirrt.«
Maggie nickte. Und ängstlich, fügte sie schweigend hinzu. Aber sie wollte Sam nicht wieder in Fahrt bringen.
Vom Eingang her sagte Denal: »Leute kommen.«
Maggie hörte sie ebenfalls. Diejenigen, die da kamen, taten nicht geheimnisvoll. Draußen vor der Hütte ertönte das Geplapper vieler aufgeregter Stimmen. Einige sangen sogar lautstark.
Sam ging zu Denal hinüber. »Was ist da los?«
Der Junge zuckte mit den Schultern, doch Maggie sah seine Hände leicht zittern, während er die Matte aufhielt. Sam legte ihm schützend eine Hand auf die Schulter und hob mit der anderen die Winchester hoch. So bewaffnet zog er die Matte zurück. Gerade und aufrecht trat der Texaner hinaus, bereit zur Konfrontation.
Maggie eilte mit nach draußen. Sie wollte nicht, dass Sam etwas Übereiltes tat.
Während sie über Normans Notlage gesprochen hatten, war die Sonne gänzlich untergegangen und Nacht hatte das terrassenförmig angelegte Dorf eingehüllt. Zwischen den Hütten flammten überall Fackeln auf, hell wie
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