Das Blut des Teufels
gestalteter Innenhof mit einer Überfülle an Orchideen und Kletterpflanzen. Papageien hockten auf Stangen und hatten die Köpfe zum Schlafen unter die Flügel gesteckt. Inmitten des üppigen Bewuchses brannte in einer Grube ein Feuer.
Zwei Gestalten standen vor den Flammen: Kamapak und Inkarri.
Der Schamane berührte mit der Fingerspitze eine seiner Tätowierungen, murmelte ein Gebet, öffnete dann seinen chuspa - Beutel und warf eine Fingerspitze eines Pulvers ins Feuer. Blaue Flammen schleuderten Funken höher in den Himmel. Kamapak umschritt das Feuer, warf weiteres Pulver hinein und sprach dabei mit dem König.
Norman, der hinter einem benachbarten Loch stand, übersetzte. Er hielt die Lippen nahe an Sams Ohr und seine Worte waren bloß ein Hauch.
Der Schamane meinte gerade: »Wie ich dir gesagt habe, sind sie keine mallaqui , Geister des uca pacha , obwohl sie bleichhäutig sind und von unten kommen. Sie sind echte Menschen.«
Mit einem Nicken starrte der König nachdenklich in die Flammen. »Ja, und der Tempel hat einen von ihnen geheilt. Inti akzeptiert sie.« Inkarri erwiderte Kamapaks Blick. »Dennoch, es sind keine Inka.«
Kamapak beendete sein Ritual, ging zu einer der Schilfgrasmatten auf dem Boden hinüber und ließ sich geschmeidig im Schneidersitz nieder. »Nein, aber sie sind auch nicht mit Mord im Herzen gekommen … wie die anderen vor langer Zeit.«
Der König setzte sich neben den Schamanen auf eine der geflochtenen Matten. Seine Stimme klang müde. »Wie lange ist das her, Kamapak?«
Der Schamane griff in einen Beutel, holte eine lange, verknotete Schnur hervor und legte sie auf den Steinen des Hofs aus. Sam erkannte in ihr eine quipu , ein Zählwerkzeug der Inka. Kamapak zeigte auf einen der Knoten. »Hier haben wir die Moche in diesem Tal entdeckt, als deine Armeen vor fünfhundertdreißig Jahren zum ersten Mal hergekommen sind.« Er ließ die Finger mehrere Stricke hinabgleiten. »Und hier bist du gestorben.«
Sam wich zurück und starrte Norman merkwürdig an. Gestorben? Der Fotograf zuckte mit den Schultern. »Das hat er gesagt«, formte er mit dem Mund.
Stirnrunzelnd wollte Sam weiter lauschen, als ihn ein lauter Ruf aufschreckte. Zu beiden Enden der Gasse flammten Fakkeln auf. Sam und Norman erstarrten, auf frischer Tat ertappt. Schrille Befehle wurden ihnen zugeschrien.
»W… wir sollen rauskommen«, sagte Norman.
Sam berührte den Gewehrlauf, überlegte es sich dann aber anders. Zunächst wollte er abwarten, worauf das Ganze hinauslief. »Komm!«
Er schob sich an Norman vorbei und glitt die Gasse zu den wartenden Wächtern hinab. Wütende Gesichter empfingen sie auf dem Dorfplatz. Ein Kreis von Männern, einige davon mit Fackeln, aber alle mit Speeren, umgab sie. Die Musik hatte aufgehört. Hunderte schwitzender Körper starrten in ihre Richtung.
Der Schamane und der König erschienen in der Tür. Zwischen den Wächtern und dem Schamanen fand ein hastiger Wortwechsel statt, während der König unbewegt im Eingang stand.
Schließlich hob der Sapa Inka seinen Stab und Stille legte sich über den Platz. An Sam gewandt sagte er mühsam auf Englisch: »Im Tempel hat mir Inti deine Sprache ins Ohr geflüstert, sodass ich mit dir reden kann. Komm her! Erfahre, was du in dunklen Ecken zu erfahren suchtest.« Er drehte sich um und betrat wieder die königliche Wohnstatt.
Kamapak runzelte die Stirn. Er war eindeutig von ihnen enttäuscht und winkte sie in eben jenen Innenhof, vor dem sie gerade gelauscht hatten.
Der Sapa Inka deutete auf die geflochtenen Matten.
Sam und Norman setzten sich.
Der König schritt zum Feuer. »Was sucht ihr?«, fragte er in die Flammen hinein.
Sam richtete sich auf. »Antworten. Wie zum Beispiel, wer du in Wirklichkeit bist.«
Der Sapa Inka seufzte und nickte langsam. »Einige nennen mich jetzt Inkarri. Aber ich werde euch meinen wahren Namen nennen, meinen ursprünglichen Namen, meinen ältesten Namen, damit ihr wisst, wer ich bin. Mein Geburtsname lautet Pachacutec. Inka Pachacutec.«
Sam zog die Brauen zusammen. Der Name Pachacutec war ihm vertraut. Das war der uralte Gründer des Inkareichs. Hatten die Inka zunächst lediglich eine Stadt bewohnt, Cusco, so hatte dieser Herrscher das Reich auf ein Gebiet vergrößert, das sämtliche Länder zwischen den Bergen und der Küste umfasste. »Du bist ein Nachkomme des Erdenerschütterers?«, fragte Sam und gebrauchte den Beinamen, den die Inka ihrem Gründer verliehen hatten.
Der König machte ein finsteres Gesicht.
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