Das Blut des Teufels
»Nein, ich bin der Erdenerschütterer. Ich bin Pachacutec.«
Sam runzelte die Stirn. Unmöglich. Dieser Mann unterlag eindeutig der Illusion aller Könige – dass sie die Verkörperung ihrer Vorfahren darstellten, die wiedergeborenen Toten.
Lebhaft gestikulierend sagte Kamapak etwas in seiner Muttersprache. Er hob das verknotete Seil auf, das quipu , und schüttelte es ihnen entgegen.
Norman übersetzte. »Kamapak behauptet, dass alle hier im Tal über vierhundert Jahre alt sind. Sogar der König.«
»Also hält sich dieser Sapa Inka für den echten Pachacutec.«
Norman nickte. »Pachacutec – das Original.«
Mit einem Kopfschütteln tat Sam den ganzen Inka-Mystizismus ab. Aber in einer kleinen Ecke seines Bewusstseins sann er über Normans Heilung und seine neu erworbenen Fähigkeiten nach. Ja, hier ging etwas Wundersames vor sich, doch konnte dieser Stamm so lange überlebt haben? Ihm fielen seine eigenen Überlegungen bezüglich eines Jungbrunnens ein. War so etwas möglich?
Sam stellte die Frage, die seit seiner Ankunft an ihm genagt hatte: »Kannst du uns etwas von diesem Sonnentempel erzählen?«
Pachacutec schaute auf das Symbol der Sonne oben auf seinem Stab, dann auf das Feuer. Plötzlich wirkten seine Augen so müde, dass Sam ihm das Alter von fünfhundert Jahren fast abnahm. »Damit ihr das versteht, muss ich Geschichten erzählen, die ich aus anderem Mund vernommen habe«, flüsterte er. »Von den Moche, die als Erste an diesen geheiligten Ort gekommen sind.«
Sam krampfte sich das Herz zusammen. Also waren die Moche tatsächlich als Erste hier gewesen! Onkel Hank hatte Recht gehabt.
Der Sapa Inka nickte zum Schamanen hinüber. »Kamapak, berichte ihnen von der Nacht der Flammenden Himmel!«
Der Schamane neigte zustimmend den Kopf und trat ans Feuer. Seine Stimme klang düster. Norman übersetzte. »Sechzig Jahre, bevor die Armeen des Inka Pachacutec dieses Tal eroberten, gab es eine Nacht, da strichen über den Himmel hunderte feuriger Spuren, Teile flammender Sonnen, die einander über den schwarzen Himmel jagten. Sie fielen aus dem janan pacha und stürzten in diese geheiligten Berge. Der König der Moche befahl seinen Jägern, diese Teile der Sonne einzusammeln, die überall in rauchenden Nestern in den Bergen zu finden waren.«
Sam merkte, dass er nickte. Eindeutig die Beschreibung eines Meteoritenschauers.
»Die eingesammelten Schätze«, fuhr Kamapak fort, »wurden dem König der Moche gebracht. Er nannte sie ›das Gold der Sonne‹ und versteckte sie in einer Höhle hier in diesem geheimen Tal.«
»Aber dann komme ich mit meiner Armee«, unterbrach Pachacutec. »Ich töte den König und mache die Moche zu meinen Sklaven. Ich zwinge sie, mich zu diesem Schatz zu bringen. Ich muss viele töten, bevor sich der Weg für mich auftut. Hier finde ich eine Höhle voller Sonnenlicht, das man berühren und festhalten kann. Ich falle auf die Knie. Ich weiß, es ist Inti persönlich. Der Sonnengott!« Die Augen des Königs spiegelten vergangenen Ruhm und vergangene Wunder wider. Die Erinnerung schien ihn zu beleben.
Der Schamane setzte die Geschichte fort und Norman übersetzte wieder. »Zu Ehren Intis und als Strafe für die Moche, dass sie unseren Gott eingesperrt hatten, opferte Pachacutec jeden Moche in diesem Tal sowie im Dorf darunter. Anschließend betete Pachacutec sieben Tage und sieben Nächte lang um ein Zeichen von Inti. Und er wurde erhört!«
Der Schamane öffnete seine Tasche und warf mit einem gemurmelten Gebet ein wenig purpurfarbenen Staub aufs Feuer; einen Herzschlag lang schossen blaue Flammen in die Höhe. Dann fuhr er fort: »Als Belohnung für seine Treue wuchs ein wunderbarer Tempel in der Höhle, ein huaca , erbaut aus dem angehäuften Sonnengold der Moche. In diesem heiligen Tempel heilte Inti die Kranken und hielt den Tod von denjenigen fern, die den Sonnengott verehrten.«
Sam musste sich zum Atmen regelrecht zwingen. Hatten diese uralten Indianer wahrhaftig eine außerweltliche Quelle der Jugend entdeckt? Er musste lediglich Norman ansehen, der geheilt war und übersetzte, um allmählich daran zu glauben.
»Pachacutec übergab die Krone an seinen Sohn und zog sich in dieses Tal zurück. Er überließ die Regierung des Inkareichs seinen Nachkommen. Er und seine auserwählte Gefolgschaft blieben hier, verehrten Inti und sind nicht gestorben. Bald wurden sogar die im Tal geborenen Kinder durch die Macht des Tempels zu Göttern und dem janan pacha als Geschenk überreicht.«
Bei
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