Das Blut des Teufels
zurück, bis hinter ihnen neues Knurren ertönte. Sam fuhr herum. Noch mehr Kreaturen watschelten und krochen auf den Platz zu. Späte Gäste der Party, angelockt von dem frischen Blut und den Schreien. Von allen Dächern ringsumher erklang hungriges Heulen.
»Ich glaube, es hat gerade zum Essen geläutet«, meinte Sam mürrisch.
Joan arbeitete in ihrer Zelle. Sie hatte den ganzen Morgen über verschiedenen Zeitungsartikeln, Zusammenfassungen und getippten Notizen gebrütet, mit denen der ernste junge Mönch sie versorgt hatte. Besonders fasziniert hatte sie das Papier über die Theorie biomimetischer Systeme. Ihnen lag die Idee zugrunde, mikroskopisch kleine Maschinen zu konstruieren, indem man bereits existente biologische Modelle nachahmte, wie zum Beispiel Mitochondrien und Viren. Ein gewisser Dr. Eric Drexler schlug vor, Proteine und Nukleinsäuren als Bausteine einer Mikromaschine – eines Nanobots – zu benutzen. In seinem Artikel erläuterte er, wie die gegenwärtige Biologie die Generation »synthetischer, nicht-biologischer Strukturen« anregen konnte.
Joan lehnte sich zurück und stellte sich im Geiste die mikroskopisch kleinen oktogonalen Einheiten vor, aus denen die Substanz Z bestand. Deren Form war ihr irgendwie bekannt vorgekommen. Sie hatten fast wie Nachahmungen von Bakteriophagen ausgesehen. Waren diese Einheiten tatsächlich Beispiele biomimetischer Strukturen?
Sie durchsuchte die Papiere auf dem Tisch, bis sie auf einen Ausdruck der mikroskopischen Analyse der Probe stieß. Dabei war die seltsame Einheit in ihre Bestandteile zerlegt worden.
Probe 134B12
Rastersondenmikroskopieanalyse: Unter Anwendung von Phasenkontrast, Kraftmodulation und gepulster Kraftmikroskopie (Resultate überprüft anhand massenspektrometrischer Analyse #134B8)
Erste Befunde
Struktur der Hülle: Makromoleküle, bestehend aus Si (Silizium) und H (Wasserstoff), insbesondere Kubosiloxane (H 6 Si 18 O 12 ), dazu Tectosilikate
Arme: Si (Silizium), über Nanoröhren verbunden mit Au (Gold)
Kern: Analyse nicht möglich
Joan tippte mit dem Finger auf das Blatt Papier. Also enthielten die Arme der Nanopartikel Gold, daher die Färbung der Substanz Z. Was sie jedoch mehr faszinierte, war die Zusammensetzung der Hülle. Sie bestand größtenteils aus Silizium. In der Natur basierten fast alle biologischen Bausteine auf Kohlenstoffverbindungen – auf Molekülen aus Wasserstoff, Sauerstoff und Kohlenstoff . Hier hatte sie jedoch eine Struktur vor sich, die Kohlenstoff durch Silizium ersetzte.
Sie gab dieser neuen Klasse von Molekülen einen Namen: »Hydrosilizium«, murmelte sie. Obwohl Kohlenstoffverbindungen den größten Teil der Biologie ausmachten, war in der Geologie Silizium das vorherrschende Element der Erdkruste. Konnte diese Struktur ein Verbindungsglied zwischen Biologie und Geologie darstellen? Oder war sie, entsprechend der These des jungen Mönchs, der erste entdeckte anorganische Nanobot?
Schließlich blieb ihr Blick an der untersten Zeile des Berichts hängen. Die Zusammensetzung des Kerns. Analyse nicht möglich. Das war die Crux der Sache, das Rätsel. Das Äußere war bekannt und quantifizierbar, doch die inneren Funktionen blieben nach wie vor ein Geheimnis. Das lenkte ihre Gedanken auf die beiden entscheidenden Fragen zurück, die der junge Mönch in seinen privaten Aufzeichnungen aufgeworfen hatte: Worin besteht der Zweck dieser mikroskopisch kleinen Maschine? Und wer hatte sie programmiert?
Bevor Joan tiefer in die Geheimnisse hätte eindringen können, hörte sie unten im Korridor Absätze über den Stein kratzen. Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und runzelte die Stirn. Für das Essen war es viel zu früh. Sie biss sich auf die Unterlippe. Wer da auch kommen mochte, er hatte wahrscheinlich nichts mit ihr zu schaffen, aber sie konnte kein Risiko eingehen.
Rasch räumte sie ihren Schreibtisch auf. Die Papiere mit den Forschungsergebnissen schob sie zu einem ordentlichen Stapel zusammen, faltete dann das abgenutzte Blatt mit Bruder de Almagros Code und stopfte es in die Tasche. Anschließend legte sie das einzige Buch, das man ihr hier im Raum erlaubte – eine King-James-Bibel – über das ausgefranste Loch in der Eichenplatte des Tischs. Dadurch verbarg sie das Ergebnis ihres Experiments von vergangener Nacht.
Schließlich rollte sie die Zigarette, die sie Bruder Carlos abgeschnorrt hatte, vom Tisch und steckte sie sich in die Brusttasche. Sie warf einen letzten Blick auf ihr Werk und war
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