Das Blut des Teufels
die Knie und legte die Handflächen aneinander. »Ich bin mir zum Beten nicht zu schade.«
Sogleich folgten ihm Henry und Maggie. Sie schloss die Augen, aber ihre Gedanken waren ein heilloses Wirrwarr. Die bleichen Bestien in der angrenzenden Kammer kamen ihr in den Sinn. Was, wenn Sam etwas Ähnliches widerfahren würde? Sie ballte die Hände zu Fäusten. Das würde sie nicht zulassen. Wenn Gebete funktionierten, dann würde sie die anderen für eine Heilung beten lassen, aber sie selbst würde sich darauf konzentrieren, den Tempel daran zu hindern, zusätzliche ›Verbesserungen‹ vorzunehmen.
Sie ging auf die Knie und war fest entschlossen, den Tempel mit ihrem Willen dazu zu zwingen, Sams Verletzungen zu heilen, und zwar nur diese. Nichts sonst! Sie strengte sich so an, dass ihre Knöchel weiß wurden. Nichts sonst, verdammt! Hörst du mich?
Plötzlich keuchte Denal hinter ihr auf. »Sehen da!«
Maggie riss die Augen auf.
Sam lag nach wie vor reglos auf dem Altar, aber der Ball aus ineinander verwobenen Strängen über dem Bett entwirrte sich, breitete sich aus. Tausende goldener Stränge wanden und schlängelten sich aus dem Nest hervor und waberten und verdrehten sich in der Luft. Ihre Spitzen teilten sich zu noch winzigeren Filamenten und diese teilten sich ihrerseits noch weiter. Bald waren sie so fein, dass der Raum von einem goldenen Nebel erfüllt zu sein schien. Dann senkte sich die goldene Wolke wie ein schwerer Dunstschleier auf Sams Leichnam. Innerhalb weniger Sekunden war sein Körper vom Scheitel bis zur Sohle von dem Metall bedeckt, sodass aus ihm eine Skulptur aus Gold geworden war. Und immer noch schien das Gold zu fließen. Wie eine leuchtende Nabelschnur verband ein dikkes, verdrehtes Seil die goldene Statue mit dem Knoten über dem Altar. Sie wand sich und pulsierte wie etwas Lebendiges.
Bei diesem Anblick verspürte Maggie eine leichte Übelkeit. Sie stand auf; Henry und Norman taten es ihr bald nach.
»Was haltet ihr davon?«, fragte Henry. »Wird es funktionieren?«
Keiner gab Antwort.
»Wie lange es dauert, wäre die bessere Frage«, meinte Norman. »Meiner Ansicht nach lässt uns die Armee da unten nicht die Zeit, hier einen Tag zu verbringen.«
Henry nickte. »Wir müssen uns eine Verteidigungsstrategie überlegen. Gibt es einen zweiten Weg nach draußen?« Der Professor sah den Schacht entlang, in Richtung der anderen Caldera.
»Da nicht«, erwiderte Maggie.
Henry drehte sich um und rieb sich die müden Augen. »Dann brauchen wir Waffen«, murmelte er. »Ich habe einen Ersatzbehälter mit Granaten im Helikopter entdeckt, aber …« Der Professor schüttelte verdrossen den Kopf.
Norman meldete sich zu Wort. »Granaten hören sich gut an, Doc. Insbesondere ganz viele davon.«
»Nein«, sagte Henry abweisend. »Es ist zu riskant, wieder da runterzugehen.«
»Aber es ist auch zu riskant, es nicht zu tun«, erwiderte Norman. »Wenn ich mich beeile und vorsichtig bin …«
»Ich gehen auch«, fügte Denal hinzu. »Ich helfen tragen. Kiste schwer.«
Norman nickte. »Gemeinsam wird’s ein Klacks sein.« Er machte sich bereits mit dem Jungen auf den Weg.
»Seid vorsichtig!«, warnte Maggie.
»Oh, darauf kannst du dich verlassen!«, erwiderte Norman. »Der National Geographic zahlt keinen Zuschlag für einen Kampfeinsatz.« Dann waren er und der Junge auf und davon und eilten den Gang hinab.
Henry starrte wieder den Tempel an und murmelte: »Der Bau muss geothermische Hitze als Energiequelle benutzen. Das ist erstaunlich.«
»Eher entsetzlich. Mir ist klar, weshalb Bruder de Almagro dieses Ding die Schlange von Eden genannt hat. Sie ist verführerisch und doch ist an ihrem Charme was faul.«
»Die Schlange von Eden?« Henry zog die Brauen zusammen. »Woher hast du diesen Ausdruck?«
»Das ist ’ne lange Geschichte.«
Der Professor nickte zum Tempel hin. »Wir haben jede Menge Zeit.«
Maggie nickte ihrerseits und versuchte, eine kurze Zusammenfassung ihrer Reise zu liefern, aber einige Teile waren beim Wiedererzählen besonders schmerzlich, beispielsweise Ralphs Tod. Sie sprach von den Bestien und Kreaturen, die das benachbarte Tal heimsuchten, erläuterte ihre Theorie und beendete ihren Bericht mit einer letzten Feststellung: »Ich habe kein großes Zutrauen zu diesem Tempel. Ebenso, wie er einen heilt, programmiert er einen auch um.«
Henry starrte den langen Korridor zum fernen Sonnenlicht hinab. »Also hat Bruder de Almagro Recht gehabt. Er hat versucht, eine Warnung vor dem auszusprechen,
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