Das Blut des Teufels
»Ausgezeichnet! Vielen Dank, Erzbischof Kearney. Vermutlich wird sich Ihre Hilfe als unbezahlbar bei der Lösung dieses Rätsels erweisen.«
»Das hoffe ich. Ich gebe meinem Sekretär Anweisung, Ihnen unsere Faxnummer mitzuteilen, und erwarte Ihre Sendung.«
»Ich schicke es sofort los.« Nur am Rande registrierte Henry, dass er ins Vorzimmer zurückverbunden wurde, wo man ihm die Faxnummer gab, denn in seinen Gedanken ging er schon die verschiedensten Möglichkeiten durch. War Bruder de Almagro längere Zeit in Peru gewesen, gäbe es vielleicht sogar einige Briefe und Berichte des Mannes an die Abtei in Cusco. Vielleicht enthielten solche Schriftstücke den Schlüssel zu der verschollenen Stadt.
Mit tauben Fingern legte Henry auf und ließ die Skizze des Rings in das Faxgerät gleiten. Er wählte und horchte auf das Surren und Summen, als die Verbindung hergestellt wurde.
Während der Übertragung lenkte Henry seine Gedanken gewaltsam zu dem anderen Geheimnis, das die Mumie umgab. Er hatte die Nacht mit der Suche nach der Vergangenheit dieses Burschen verbracht, aber da ihm die Sache jetzt aus der Hand genommen worden war, gestattete er sich einige Spekulationen über das letzte Puzzleteil der Mumie. Davon hatte er dem Erzbischof nichts erzählt. Er stellte sich im Geiste die Explosion des Mumienschädels und das umherspritzende Gold vor.
Was genau war da passiert? Was war das für eine Substanz? Der Erzbischof hätte auf diese Sache kein neues Licht werfen können, das wusste Henry genau. Nur eine Person konnte ihm helfen, und zwar eine, die er sowieso unter einem Vorwand anrufen wollte. Seit er sie nach drei Jahrzehnten zum ersten Mal wieder gesehen hatte, ließ ihn diese Frau nicht mehr los.
Das Faxgerät piepte, die Übertragung war beendet. Henry nahm den Hörer und wählte die zweite Nummer. Es klingelte fünf Mal, dann meldete sich eine atemlose Stimme. »Hallo?«
»Joan?«
Verwirrung. »Ja?«
Henry sah das schmale Gesicht der Pathologin vor sich, umgeben von einer Kaskade rabenschwarzer Haare. Die Zeit hatte ihr kaum etwas anhaben können: nur eine Spur von Grau, eine Lesebrille auf der Nase, ein paar neue Falten. Aber ihre bezauberndsten Merkmale waren unverändert: das schattenhafte Lächeln, der amüsierte Blick. Sogar ihre rasche Auffassungsgabe und leidenschaftliche Neugier waren während der Jahre im Institut nicht eingeschlafen. Henry entdeckte plötzlich, dass ihm das Sprechen Schwierigkeiten bereitete. »H… Henry hier. T… Tut mir Leid, dich so früh zu stören.«
Ihre Stimme verlor ihre kalte Leidenschaftslosigkeit und wurde beträchtlich wärmer. »Früh? Also weißt du, ich bin gerade vom Krankenhaus zurück.«
»Du hast die ganze Nacht gearbeitet?«
»Na ja, ich habe mir die Untersuchungsergebnisse deiner Mumie noch mal zu Gemüte geführt und, na ja …«, eine kleine, verlegene Pause, »… überhaupt nicht so recht auf die Zeit geachtet.«
Henry warf einen Blick auf die eigene zerknitterte Kleidung und lächelte. »Ich kenn das.«
»Also hast du was Neues erfahren?«
»Ich habe ein paar Teile zusammengesetzt.« Rasch berichtete er ihr von dem entdeckten Namen des Mönchs sowie seinem Anruf beim Erzbischof. »Was ist mir dir? Etwas Neues von der Front?«
»Nicht viel. Aber ich würde mir einige meiner Funde gern noch mal genau ansehen. Das Material im Schädel erweist sich als höchst ungewöhnlich.«
Bevor Henry sich hätte im Zaum halten oder die möglichen Konsequenzen einer solchen Entscheidung abwägen können, legte er nach. »Wie wär’s mit einem gemeinsamen Mittagessen?« Als die Worte heraus waren, krümmte er sich innerlich. So dringlich hatte er es nicht klingen lassen wollen. Er wurde rot.
Eine lange Pause. »Ich fürchte, das geht nicht.«
Henry hätte sich für seine unprofessionelle Vorgehensweise in den Hintern treten können. Seit Elizabeths Tod war ihm das Gefühl dafür abhanden gekommen, wie man sich einer Frau auf romantische Weise näherte – allerdings hatte er bislang auch noch nie großartig den Drang danach verspürt.
»Aber wie wär’s mit einem Abendessen?«, fuhr Joan fort. »Ich kenne einen netten Italiener am Fluss.«
Henry schluckte heftig und kämpfte mit den Worten. Durfte er die Hoffnung hegen, dass sie mehr als nur ein Treffen unter Kollegen vorschlug? Vielleicht eine Erneuerung alter Gefühle? Aber es war so lange her. So viel Zeit war seit ihren Jahren am College verstrichen. Jeder hatte sein Leben gelebt. Welcher kleine Funke damals auch immer
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