Das Blut des Teufels
Quecha-Arbeiter waren so gut wie nutzlos. Was er von ihnen wollte, musste er pantomimisch ausdrücken oder aufzeichnen – aber selbst dann verstand dieser ungebildete Haufen seine Anweisungen oft genug falsch.
Allmählich bekam er jedoch den Verdacht, dass sie einige seiner Anweisungen absichtlich ›missverstanden‹, insbesondere, nachdem er Sams Warnungen in den Wind geschlagen und darauf bestanden hatte, dass die Indianer den ursprünglichen Schacht wieder freilegen sollten. Es hatte sich nämlich rasch gezeigt, dass die Überlegungen des Texaners zutreffend gewesen waren: Als einige der Arbeiter einen besonders großen Granitbrocken losstemmen wollten, war der Tempel noch weiter in sich zusammengefallen. Einer der Indianer hatte sich das Bein gebrochen, als das Dach unter ihm nachgegeben hatte. Seither befolgten die Quecha seine Anweisungen immer unwilliger und langsamer.
Bei seinem letzten Kontakt mit Sam hatte Philip absichtlich verschwiegen, dass er für die Beinahe-Tragödie die Schuld trug. Zum Glück hatte ihm die schlechte Verbindung eine detaillierte Erklärung erspart.
Er warf einen Blick zum Rand des Regenwalds hinüber. Wenigstens hatten die Arbeiter den teilweise vollendeten Tunnel der Plünderer nahe am Fuß des Hügels entdeckt. Seinen Berechnungen nach müssten sie noch weitere zwölf Meter graben, bis sie den Tempel erreichten – und wenn sie weiter in dem Tempo vorankamen wie bisher, würden sie eher vier Tage statt der zwei benötigen, die er beim Gespräch mit Sam geschätzt hatte.
»Es sei denn, vorher trifft Hilfe ein«, brummte er. Andernfalls war das Schicksal der Übrigen besiegelt. Selbst wenn der Tempel stehen bliebe, was sehr zweifelhaft war, würde der Wassermangel allmählich kritisch. Sogar in dieser feuchten Umgebung stellte der Tod durch Austrocknung eine ernste Gefahr dar. Sie brauchten dringend Hilfe. Der Tod der anderen würde nicht an seinen Händen kleben – oder an seinem Lebenslauf. Ein solcher Skandal in Verbindung mit seinem Namen würde ihn womöglich aller Chancen auf eine zukünftige Stellung in Harvard berauben.
Philip hielt sich gegen die Spätnachmittagssonne eine Hand über die Augen. Zwei Arbeiter waren an diesem Morgen auf ihren langen, schlanken Beinen losgelaufen, um Hilfe zu holen. Die beiden jungen Männer sahen so aus, als könnten sie ihren Schritt den ganzen Tag über beibehalten. In diesem Fall sollten sie jetzt jeden Augenblick die winzige Ortschaft Villacuacha sowie ein Telefon erreichen und wenn entsprechend reagiert würde, könnte innerhalb der kommenden beiden Tage eine Rettungsmannschaft unterwegs sein.
Philips Pläne hingen alle an dieser einen Hoffnung – dass Rettung nahte. Wenn andere hier wären, trüge er nicht mehr die alleinige Verantwortung, nicht einmal dann, wenn die anderen Studenten starben. Mitschuld wäre kein so großer Schandfleck auf seiner Vita.
Aber noch aus einem anderen Grund betete er darum, dass bald jemand käme. Die Sonne ging gleich unter und Philip fürchtete eine weitere lange dunkle Nacht in einem Regenwald voller Lärm und Gekreisch. Ganz bestimmt war Guillermo Sala irgendwo da draußen und wartete auf den geeigneten Moment für einen Überfall.
Während er den Blick auf das ferne Villacuacha gerichtet hielt, schickte Philip den beiden indianischen Läufern ein geflüstertes Gebet nach: »Beeilt euch, ihr Schweinehunde!«
Bruder Otera warf einen Blick auf die untergehende Sonne und zog sich daraufhin die Kapuze seiner Kutte weiter über den Kopf, sodass sie seine Gesichtszüge beschattete. Morgen gegen Mittag sollten sie die Ruinen erreicht haben. »Kommt!«, befahl er und ging weiter voraus über den Dschungelpfad.
Fünf Mönche in braunen Kutten schritten im Gänsemarsch hinter ihm her. Das Geraschel ihrer Gewänder war das einzige Geräusch, das den dämmrigen Regenwald störte. Immer wenn die Sonne unterging, wurde der Dschungel seltsam still, verschwiegen, als hielten die Wesen des Walds angesichts der Gefahren der hereinbrechenden Nacht den Atem an. Bald wären die dunklen Jäger wieder von der Leine gelassen und würden auf die Jagd gehen.
Diese unheilschwangere Stille war der Grund, weshalb der schwarzhaarige Mönch das Knacken eines Zweigs sowie das abgerissene, keuchende Atmen einer Person hörte, die sich ihm näherte. Er reckte den Hals. Nein, es waren zwei. Bruder Otera hielt einen Arm hoch und die anderen blieben wortlos stehen. Die Kirche hatte sie gut gedrillt.
Bald tauchten vor ihnen
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