Das Blut des Teufels
das heißen?«
»Die Psychologen haben ein post-traumatisches StressSyndrom diagnostiziert, eine ernste Form von Panikattacken. Wenn die Anspannung einen gewissen Grad erreicht …« Maggie wedelte mit der Hand. »… rebelliert mein Körper. Er schickt mein Bewusstsein in weite Ferne.«
»Wie das? Ich dachte, das wäre so was wie ein Kriegstrauma?«
»Nicht immer … abgesehen davon gibt es viele Arten von Kriegen.«
Sam wollte sie eigentlich nicht weiter bedrängen, aber sein Herz wollte ihn auch nicht schweigen lassen. »Was ist passiert?«
Einen langen Atemzug musterte sie ihn abschätzend und wägte ab, wie ernst er es meinte. Schließlich sah sie beiseite und sagte tonlos: »Mit zwölf Jahren habe ich gesehen, wie ein Schulfreund, Patrick Dugan, von einem Querschläger getötet worden ist. Abgefeuert von einem Heckenschützen der IRA. Er ist in meinen Armen zusammengebrochen, als ich mich in einem Straßengraben versteckt hatte.«
»Mein Gott, wie furchtbar …«
»Es flogen noch mehr Kugeln. Männer und Frauen kreischten und weinten. Ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte. Also habe ich mich unter Patricks Körper versteckt.« Maggie begann zu zittern, als sie weitererzählte. »Sein … sein Blut hat mich getränkt. Es war heiß, wie warmer Sirup. Ein Geruch wie im Schlachthaus …«
Sam rutschte näher zu Maggie und zog sie an sich. »Das musst du nicht tun …«
Sie wich nicht zurück, reagierte aber auch sonst nicht auf seine Berührung. Ohne zu blinzeln starrte sie in die Dunkelheit, verloren in einem vertrauten Albtraum. »Aber Patrick hat noch gelebt. Als ich mich unter ihm versteckt habe, hat er gestöhnt, allerdings zu leise, als dass ihn die anderen hätten hören können. Er hat mich angefleht, ihm zu helfen. Er hat nach seiner Mama gerufen. Aber ich habe mich einfach da versteckt und seinen Körper als Schild benutzt. Und sein Blut hat meine Kleider getränkt.« Sie sah Sam an und sagte mit erstickter Stimme: »Es war warm und ich fühlte mich geborgen. Nichts hätte mich dazu bringen können, mein Versteck zu verlassen. Gott möge mir vergeben. Ich habe gewaltsam die Ohren vor Patricks Stöhnen und seinen Hilfeschreien verschlossen.« Ein Schluchzen stieg ihr in die Kehle.
»Maggie, du warst noch ein Kind.«
»Ich hätte etwas tun können.«
»Und auch getötet werden können. Was hätte Patrick Dugan davon gehabt?«
»Das werde ich nie erfahren«, erwiderte sie und heiße Tränen der Selbstanklage strömten ihr über die Wangen. Sie wand sich aus seiner Umarmung und blickte ihn aus wütenden, verletzten Augen an. »Oder?«
Sam hatte keine Antwort für sie. »Tut mir Leid«, sagte er schwach.
Sie wischte sich brüsk das Gesicht. »Seit dieser Zeit habe ich immer wieder diese verdammten Anfälle.« Sie schluckte heftig. »Es ist mein Problem. Damit muss ich leben … allein. Es ist meine Bürde.«
Und deine selbst auferlegte Bestrafung für Patricks Tod, dachte Sam, sagte jedoch nichts. Wer war er, sich darüber ein Urteil zu erlauben? In seinem Kopf wirbelten Bilder umher: die verdrehten Gestalten seiner Eltern, die wie Beefsteak aus dem zerbeulten Wagen gerissen wurden, während er, angeschnallt am Rücksitz, nur dasaß und zuschaute. Die Schuld des Überlebenden. Es war ein Gefühl, das ihm vertraut war. Er erwachte oft davon, dass ihm seine Laken an der feuchten Haut klebten, wenn ihm der kalte Schweiß ausgebrochen war.
Maggies nächste Worte zogen ihn in die schwarze Höhle zurück. »In Zukunft wirst du für mich kein Risiko eingehen, Sam. Ja?«
»D… das kann ich nicht versprechen.«
Sie starrte ihn wütend an und in ihren Augen funkelten die Tränen.
»Maggie …?«
Ihr Gespräch wurde durch Normans Erscheinen unterbrochen. »Tut mir Leid, Leute, aber ich muss mal gerade für kleine Jungs«, brummte der Fotograf, dem das Haar in alle Richtungen abstand. Er ging zu dem goldenen Pfad und zu einem Felsen in der Nähe hinüber, anscheinend ohne die Spannung zwischen den beiden überhaupt wahrzunehmen.
Sam wandte sich Maggie zu, doch sie wollte seinen Blick nicht erwidern. Sie stand auf. »Einfach … einfach nur nicht dein Leben riskieren …« Als sie davonging, hörte Sam sie etwas anderes murmeln. Die Worte waren wohl nur für sie selbst gedacht, aber die Akustik in der Höhle sorgte dafür, dass er sie verstand: »Ich möchte nicht an einem weiteren Tod schuld sein.«
Er beugte sich vor und wollte ihr schon folgen und sie beruhigen. Doch dann hielt er inne, entspannte sich und sank
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