Das Blut des Teufels
anstarrte. Er ging zu ihm. »Wie fühlst du dich?«, fragte er.
Ralph sah zur Seite. »Besser.«
Norman ließ sich neben ihn auf dem Steinboden nieder.
Bevor Ralph den Impuls unterdrücken konnte, rutschte er ein paar Zentimeter weg.
Norman bemerkte die kleine Bewegung. »Keine Sorge, großer Knabe, ich werde dich nicht anrühren.«
Innerlich gab sich Ralph einen Tritt in den Hintern. Alte Verhaltensmuster ließen sich schwer ablegen. »Tut mir Leid …«, sagte er leise. »Das hatte nichts zu bedeuten.«
»Schon gut. Darfst dich halt nicht dabei erwischen lassen, dass du neben dem Schwulen sitzt.«
»Das ist es nicht.«
»Was dann?«
Ralph ließ den Kopf hängen. »Na gut, vielleicht doch. Ich bin im Süden aufgewachsen und streng baptistisch erzogen worden. Mein Onkel Gerald war sogar ein Prediger. Man hat uns diese Denkweisen eingedrillt.«
»Sonst noch was Neues? Meine Eltern waren Mormonen. Sie waren auch nicht übermäßig begeistert, als sie erfuhren, dass ich schwul bin.« Norman schnaubte. »Und die Armee auch nicht. Beide Familien haben mich vor die Tür gesetzt.«
Ralph konnte Norman nicht ins Gesicht sehen. Zwar hatte auch er das ganze Leben über mit Vorurteilen zu tun gehabt, aber zumindest hatte er doch seine Familie, die ihn unterstützte.
Norman stand auf, die Kamera in der Hand.
Plötzlich ergriff Ralph Normans Hand. Der dünne Fotograf zuckte zusammen. »Vielen Dank. Für die Sache da im Fluss.«
Norman zog die Hand weg und war plötzlich verlegen, was ihm eigentlich nicht ähnlich sah. »Schon gut. Versuch jetzt bloß nicht, mich zu küssen. So einer bin ich nicht.«
»Da hab ich aber was ganz anderes gehört«, erwiderte Ralph.
Norman wandte sich ab. »Auweia! Ralph, der Komiker. Ich vermisse bereits den bigotten Sportsmann.«
Es war früher Abend und Henry fühlte sich noch stärker fehl am Platz. Joan und Dale marschierten durch die verlassenen Flure der Johns Hopkins und er trottete hinterher. Um diese Uhrzeit befand sich außer ihnen niemand mehr im Gebäude. Nach den endlosen Tests in Joans Labor waren sie gerade auf dem Weg in ihr Büro, um die Experimente für den kommenden Tag zu planen.
Unterwegs waren die beiden Wissenschaftler nach wie vor in ein Gespräch über das mysteriöse Material vertieft. »Wir benötigen eine komplette kristallographische Analyse der Substanz Z«, brach es aufgeregt aus dem schlaksigen Metallurgen hervor. ›Substanz Z‹ war der neue Name, auf den er das seltsame Element getauft hatte.
Henry spürte förmlich, wie der Mann bereits im Kopf die Fachzeitschriften durchging, in denen er seine Befunde veröffentlichen würde.
»Und ich würde gern sehen, wie das Material unter dem Einfluss anderer Strahlung reagiert, insbesondere unter Gammastrahlen.«
Joan nickte. »Ich frage mal im Strahlungslabor nach. Da lässt sich bestimmt was arrangieren.«
Während Henry ihnen folgte, hielt er das Becherglas mit dem Material hoch und musterte die grobe Nachbildung des Dominikanerkreuzes. Substanz Z. Die anderen beiden Forscher sahen den Wald vor lauter Bäumen nicht. Hier lag das größere Rätsel. Die chemischen und molekularen Eigenschaften des Materials waren, obwohl faszinierend, nichts im Vergleich zu der Tatsache, dass es von allein seine Form veränderte.
Die beiden anderen maßen dieser Tatsache anscheinend kaum Gewicht bei. Der Metallurg hatte die Umwandlung dem Umstand zugeschrieben, dass sich das Material gleich neben dem Goldkreuz befunden hatte, und irgendwas von einer Übertragung von Energie oder Elektronen gefaselt, der die Substanz die neue Form zu verdanken habe. »Jedes Metall sendet seine einzigartige Energiesignatur aus«, hatte Dale erklärt. »Da die Probe außerordentlich sensibel gegenüber den unterschiedlichsten Arten von Strahlung ist, muss es irgendwie auf das Gold reagiert und seine Kristallmatrix entsprechend verändert haben. Erstaunlich!«
Henry teilte nicht diese Ansicht, hatte jedoch geschwiegen. Er wusste, dass die Antwort anders lautete. Er erinnerte sich, dass er gerade über den Code auf dem Kruzifix nachgedacht hatte, als die Transformation erfolgt war. Nicht die Nähe zum Kreuz hatte die Substanz Z verändert, sondern die Nähe zu Henry . Etwas war geschehen, aber er war nicht bereit, irgendwelche wilden Spekulationen laut zu äußern – zumindest jetzt noch nicht. Großspurig Theorien aufzustellen, solange ihm nicht ausreichend Informationen zur Verfügung standen, war nicht seine Art. Er befolgte da eine der ersten
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