Das Blut des Teufels
Blick auf die Mauern, während sie Bruder Carlos folgten. »Mehrere Historiker haben sich diesem Dekret des Papstes widersetzt und sind deswegen verbrannt worden, in eben diesem Gebäude hier. Unser Orden trug die Last, das Geheimnis zu wahren.«
»Ihr Orden … Sie sagen das immer so, als wären Sie kein Teil der katholischen Kirche.«
Ruiz runzelte die Stirn. »Wir sind zweifellos Teil der heiligen römischen Kirche.« Fast schuldbewusst sah der Abt beiseite. »Unglücklicherweise hat uns Rom so gut wie vergessen. Von einer Hand voll Männer im Vatikan abgesehen, kennt niemand mehr die wahre Mission dieses Ordens.«
»Die worin besteht?«, fragte Henry.
»Kommen Sie mit und Sie werden es mit eigenen Augen sehen«, erwiderte Ruiz ausweichend.
Sie hatten den untersten Absatz der langen Treppe erreicht. Henry schätzte, dass sie sich mindestens zwanzig Meter unter dem Erdboden befinden mussten. Eine Reihe nackter Glühbirnen erleuchtete den weiteren Weg. Henry besah sich die Wände und war überrascht davon, das charakteristische Werk der Inka zu erblicken – gewaltige Granitblöcke, die mit äußerstem Geschick ausgeschnitten und aneinandergefügt worden waren.
Der Abt musste bemerkt haben, dass Henry die Hand über die Mauer laufen ließ. »Wir befinden uns jetzt unterhalb der Abtei. Wie die Kirche Santo Domingo ruht auch sie auf uralten Fundamenten der Inka. Diese Gänge stellen eigentlich die Verbindung zum Sonnentempel dar.«
»Dorthin gehen wir?«, fragte Joan. »Zu diesem Tempel?«
»Nein … wir gehen zu einem noch erstaunlicheren Ort.«
Die Gruppe schritt durch das Labyrinth aus Gängen, nach wie vor angeführt von Carlos. Gelegentlich fiel Henry eine hölzerne Brücke auf, die offene Abschnitte im Steinboden überspannte. Anfangs schrieb er sie Bereichen zu, an denen das uralte Steinwerk der Inka Erdbeben oder schlichter Abnutzung zum Opfer gefallen war. Bei einer weiteren Überquerung einer dieser Brücken ging ihm allerdings auf, dass sie zu regelmäßig kamen und die Gruben zu quadratisch waren. Plötzlich hatte er einen Verdacht, wohin es ging.
»Das sind die Gruben!«, platzte es aus ihm heraus. Er starrte zurück in das Labyrinth aus vielfach gewundenden Gängen.
»Also haben Sie davon gehört?«, meinte Ruiz lächelnd.
»Die Gruben?«, fragte Joan.
»Ein unterirdisches Labyrinth. Ein Sündenpfuhl. Dort hinein haben die Herrscher der Inka ihre meistgehassten Feinde geworfen. Das Labyrinth war mit Fallgruben gespickt, die ihrerseits mit rasiermesserscharfem Feuerstein gesäumt waren. Hinzu kamen Skorpione, Spinnen, Schlangen und sogar verwundete Pumas, um die Gefangenen zu foltern.«
Joan musterte die Mauern. »Wie schrecklich …«
»Es war eine der verrufensten Folterkammern der Inka. Die spanischen Eroberer haben ausführlich darüber berichtet. Sie wurde hier in Cusco vermutet, sollte jedoch längst zerstört sein.« Henry wandte sich an den Abt. »Offenbar ist dies nicht der Fall.«
An einer Biegung hielt Carlos inne. Er stand steif neben einem kahlen Abschnitt der Steinwand, fast in Hab-AchtStellung. Er hatte die Augen zusammengekniffen und dem wütenden Ausdruck nach zu urteilen, war der Mönch mit der Entscheidung des Abts, die Gefangenen hierher zu bringen, ganz und gar nicht einverstanden.
Abt Ruiz trat neben Carlos. »Wir haben das Zentrum des Labyrinths erreicht. Das Heiligtum unseres Ordens.«
Henry sah den Korridor hinauf und hinab. Weit und breit sah er nur dicht aneinander liegende Granitblöcke und keinerlei Hinweis auf eine Tür.
Der Abt ging auf die nackte Wand zu und drückte seinen großen Rubinring auf eine kleine, in eine schattige Nische eingelassene Platte aus rostfreiem Stahl. Dann trat er zurück und hinter den Steinen ertönte das Knirschen eines Getriebes.
Henry spannte sich an, da er nicht wusste, was er zu erwarten hatte.
Plötzlich sank ein Abschnitt der Granitmauer langsam in den Boden. Durch den größer werdenden Spalt drang helles Licht, das nach den finsteren Gängen beinahe blendete. Mit einem letzten Ächzen verschwand der Mauerabschnitt gänzlich.
Schließlich hatten sich Henrys Augen an den Glanz gewöhnt und er starrte mit offenem Mund durch die Öffnung.
Joan neben ihm keuchte auf.
Vor ihnen erstreckte sich ein Raum, etwa so groß wie eine kleine Lagerhalle, dessen Wände völlig weiß waren und in dem es vor Stahl nur so blitzte. Ein Laboratorium nach dem neuesten Stand der Technik. Hinter den Scheiben und den luftdicht verschlossenen Türen arbeitete eine
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