Das Blut des Teufels
die ferne Wand der Höhle zu. Maggies Feststellung von vorhin erwies sich als nicht ganz zutreffend. Der Höllenlärm erstarb zwar, also ließen sich die heulenden Kreaturen durch das wandernde Feuer sehr wohl beeindrucken – jedoch unglücklicherweise nicht so stark wie erhofft. Nach wie vor ertönten Schreie und Grunzer ringsumher, und was noch schlimmer war, die Rufe kamen näher.
Plötzlich ertönte hinter ihnen mächtiges Gewehrfeuer. Als Sam herumwirbelte, schlug ihm das Herz bis zum Hals. Die Winchester hielt er schussbereit. Ralph stand ein paar Meter hinter ihm und aus dem Lauf seiner Waffe rauchte es.
»Verdammt!«, schrie Sam, in dessen Ohren es nach dem gewaltigen Knall immer noch heftig klingelte. »Hast du was gesehen?«
Kopfschüttelnd sah Ralph zu der Nekropolis hinüber, die in tiefem Schatten lag. »Bloß ein Warnschuss. Ich habe mir gedacht, dass das Gewehr vielleicht ihre Aufmerksamkeit erregt, wenn sie sich vom Feuer nicht vollständig abschrecken lassen.«
»Mein Gott, ich habe fast einen Herzinfarkt gekriegt!«, rief Maggie aus. »Das nächste Mal warnst du uns vor.«
Mit einem dümmlichen Ausdruck auf dem Gesicht schaute Ralph zu ihr zurück. »Tut mir Leid. Ich musste bloß was tun. Diese Schreie machen mich total nervös.«
Norman war auf dem Felsboden in Deckung gegangen und erhob sich wieder. »Noch so ’ne Nummer und du bist mir eine frische Unterhose schuldig.«
Denal stand nach wie vor neben Maggie. »Mal hören«, meinte er. »Jetzt alles ruhig.«
Da das Klingeln in seinen Ohren allmählich nachließ, bemerkte Sam, dass der Junge Recht hatte. Wenn Ralphs überstürzte Handlung schon sonst nichts erreicht hatte, so hatte sie zumindest das Geheul beendet. In der Höhle war es totenstill geworden.
»Vielleicht haben sie Schiss bekommen und sind abgehauen«, meinte Norman hoffnungsvoll und staubte sich das Hinterteil seiner Hose ab.
»Darauf würde ich nicht zählen«, sagte Sam. »Also los!«
Das Team setzte seinen Weg in das Labyrinth aus Gassen und Straßen fort. Wer die Totenstadt auch entworfen hatte, er war kein großartiger Stadtplaner gewesen, dachte Sam. Nirgendwo war eine gerade Durchfahrt zu entdecken und viele Straßen endeten als Sackgasse. Anhand der Entfernung zur goldenen Statue in der Mitte schätzte er, dass sie nur sehr langsam vorankamen, im Schneckentempo. Sie mussten häufig umkehren und auch anhalten, um nachzusehen, was der Belichtungsmesser anzeigte.
»Wir verlaufen uns noch hier drin«, beklagte sich Norman. Er hatte sich über das Gerät gebeugt und schirmte die Blende mit der hohlen Hand vor dem Fackelschein ab.
»Es muss einen Weg nach draußen geben«, widersprach Sam.
Die Gruppe wurde immer nervöser – nicht wegen des Geheuls oder sonstiger Anzeichen der Kreaturen, sondern weil die Stille allmählich an den Nerven zerrte. Ohne einen Anhaltspunkt dafür, wo die Bestien sich aufhielten, zuckte Sam bei jedem sich regenden Schatten oder jedem Kratzen auf Stein zusammen. Obwohl niemand etwas sagte, wussten alle, dass die Kreaturen nach wie vor dort draußen waren. Irgendein urzeitlicher Instinkt warnte sie vor den versteckten Räubern – sie hatten das Gefühl, dass Augen sie anstarrten, dass jemand in der Dunkelheit atmete.
Während sie weitergingen, drückte sie die Stille immer stärker nieder. Keiner sagte mehr etwas; selbst Normans Nörgeleien hatten aufgehört. Sam sah zu den Höhen ringsumher auf und wünschte sich, das Heulen würde wieder einsetzen. Alles wäre besser als diese verdammte Stille.
Von oben ertönte Knurren und Gekreisch. Maggie richtete die Taschenlampe auf eine Grabstätte in der Nähe. Bleiche Gesichter starrten sie an. Riesige schwarze Augen reflektierten das Licht; ein klagendes Geschrei erschallte und scharfe Zähne wurden gefletscht.
»Zurück!«, schrie Sam und schob Denal und Maggie hinter sich.
Dann sprangen die Bestien über den Rand des Dachs auf sie zu.
Ralphs Gewehr dröhnte. Eine der missgestalteten Kreaturen verdrehte sich mitten in der Luft. Blut quoll aus der Wunde am Hals. Sie wirbelte herum und fiel krachend auf den Felsboden, wo sie sich heulend hin und her wälzte.
Sam scheuchte die anderen über die Straße zurück. Er sah am langen Lauf der Winchester entlang. Eine der Kreaturen hob sich aus ihrem Versteck an der Straße. Zum ersten Mal hatte er einen guten Blick auf eine der Bestien. Sie war so bleich und haarlos wie die, die sie vorhin entdeckt hatten, jedoch dünner, ausgemergelter. Jede einzelne Rippe ließ
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