Das Blut-Haus
maneto!«
Wichtige Worte, ein magischer Satz, der seine Wirkung voll in mich hineinstieß.
Etwas riß mich weg.
Zunächst hinein in die Dunkelheit, dann ins Licht -und dann? Ich konnte es kaum glauben, aber ich war da.
Ich stand auf einem Friedhof!
***
Unheimlich war er. Düster und geheimnisvoll. Ein Friedhof, der an einem Ort lag, den ich nicht kannte. Dennoch spürte ich, daß es mich in eine andere Zeit verschlagen hatte. Es war nicht einfach, dies zu erklären, das Gefühl stieß aus dem Bauch hervor. Möglicherweise lag es an der Luft, die anders schmeckte, die sauberer war als die in meiner normalen Zeit.
An das Haus hatte noch nie jemand gedacht. Es war auch kein flaches Grundstück mit nur Rasenbewuchs, über mir entfalteten sich die Kronen der Bäume. Sie standen wie Beschützer über den alten Grabsteinen, die sich verteilt hatten, aber keinen Kreuzen Platz schufen. Auf die war verzichtet worden.
Ich ging über den Friedhof. Der weiche Boden verschluckte meine Schritte. Wege gab es nicht, hier und da einen Trampelpfad. Die Nacht war sehr dunkel, aber auch warm. Über mir türmten sich die Wolkengebilde. Das Kreuz hielt ich noch immer fest und erfreute mich an seinem matten, seidig schimmernden Glanz.
Ich ließ mir den Fall noch einmal durch den Kopf gehen und hakte gedanklich fest, als ich an Ankou, den Friedhofswächter, dachte. In meiner Zeit hatte ich ihn getötet, in dieser Zeit würde er noch leben. Falls ich ihm begegnen sollte, würde ich ihn nicht töten können. Unglaublich…
Am Rand des Friedhofs sah ich einen alten Bretterzaun. Dahinter wuchs Huflattich.
Meine Gedanken glitten automatisch zurück in meine Zeit. Und natürlich dachte ich an Mondrian, den Zauberer. Er und seine Freunde hatten auf diesem Friedhof ihre letzten Ruhestätten gefunden. Stellte sich die Frage, ob ihre Leichen bereits unter den Grabsteinen lagen oder ihr Tod erst noch eintreten würde.
Die Nacht gehörte zu den stillen. Nur die Blätter bewegten sich über mir, wenn der Wind sie berührte. Dann hörte ich jedesmal ein leises Rauschen, als wollten sie mir eine Botschaft vermitteln. Ich hatte mir einen guten Platz ausgesucht und drehte mich um. Der Zaun befand sich jetzt in meinem Rücken.
Mein Blick streifte über die Grabsteine. Sie sahen allesamt ärmlich aus. Die Namen waren mit ungelenker Hand eingraviert worden. Bei fast allen sah ich die gleiche Schrift. Es gab wohl nur einen im Ort, der schreiben konnte.
Natürlich interessierte mich auch das Dorf. Es mußte Selsey sein, das ich aus meiner Zeit kannte. Sicherlich war es in dieser Periode nur ein Fischerdorf gewesen, das aus einer Ansammlung von kleinen Hütten bestand.
Das Rauschen des Meeres war zu hören. Der frische Geruch tat gut. Keine Schwüle, aber auch kein Leichengestank, der auf einen Ghoul hingewiesen hätte.
Wenn er tatsächlich der Ankou war und seine Aufgabe ernst nahm, hätte er mir begegnen und mich vertreiben müssen, denn ich gehörte zu denjenigen, die die Ruhe der Toten störten. Ich war als Fremder auf den Friedhof gekommen, hatte hier aber nichts zu suchen. Der Ankou mußte sich provoziert fühlen.
Ich entdeckte ihn nicht, als hätte er sich gerade vor mir versteckt, um nur nicht aufzufallen.
Bisher war die Nacht still gewesen. Das änderte sich, als Stimmen ertönten. Sie klangen nicht düster oder provozierend, nein, die Menschen schienen mir tatsächlich fröhlich zu sein und ein Fest zu feiern.
Wenn mich nicht alles täuschte, kamen sie aus Richtung Selsey. Mir fielen die Worte des Zauberers ein. Er und seine Truppe waren unterwegs, um den Menschen Freude zu bringen. Sie durch Magie und Zauberei zum Staunen zu verleiten, das wollte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Ausflüge in die Vergangenheit waren mir nicht neu. Schon öfter hatte ich Zeitreisen gemacht und war auch schon mit den Personen konfrontiert worden, die in mir wiedergeboren waren. Das würde hier nicht passieren. Ich glaubte einfach nicht daran, daß mir Hector de Valois über den Weg laufen würde.
Mondrian beschäftigte mich viel stärker. Er hatte sich als Zauberer ausgegeben. Personen wie er hatten zu bestimmten Zeiten Hochkonjunktur gehabt. Besonders im frühen Mittelalter und auch in den späteren Jahrhunderten, wo Herrscher und Potentaten mit allen Mitteln versuchten, den Stein der Weisen zu finden, das künstliche Gold. Es gab zahlreiche Zaubererund Scharlatane, die sich damit beschäftigt hatten, aber Gold war nie hergestellt worden.
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