Das Blut-Haus
Mason Todd hatte eine günstige Gelegenheit abgewartet und mich tatsächlich kalt erwischt. Mit dem Hinterkopf prallte ich auf eine Sessellehne, die glücklicherweise ein dickes Potster aufwies. Dennoch war ich abgelenkt und gab Todd Gelegenheit, mich anzugreifen.
Er hatte sich aufgestützt, sein Maul geöffnet und wirkte so, als wollte er seine kräftigen Zähne in meine Wade schlagen und dort ein Stück herausreißen.
Ich trat schneller zu, als er zubeißen konnte. An der Stirn erwischte ihn meine Hacke. Todd kippte wieder zurück, rollte sich herum, zog die Beine an und stand auf.
Bis auf die Knie ließ ich ihn kommen. Da stand ich schon vor ihm, die Beretta gezogen.
Nein, es war kein Mensch vor mir. Die Gestalt hatte sich durch die Magie des Zauberers in eine lebende Leiche verwandelt. Er war der perfekte Zombie.
Als er mich greifen wollte, drückte ich ab. Es tat mir verdammt weh, doch ich sah keine andere Chance. Die Kugel erwischte ihn voll. Der Untote fiel zurück und rührte sich nicht mehr. Das untote Dasein war ihm genommen worden. Vor mir lag ein echter Toter. Ich schaute dorthin, wo er aus der Wand gedrungen war. Nur ein Blutgerinsel zeichnete sich dort ab, mehr nicht.
Jetzt stand ich allein gegen einen gefährlichen und leider auch unsichtbaren Gegner. Vielleicht war es auch ein Vorteil, denn Todd wäre mir keine große Hilfe gewesen.
Es hatte aufgehört zu regnen. Dampfwolken stiegen vom noch heißen Boden in die Höhe. Ein Wetter wie früher in einer Waschküche. Leer war das große Haus. Ich durchsuchte es zum erstenmal, fand nirgendwo Spuren und überlegte, ob ich nicht doch in den Garten gehen sollte. Es mußte doch eine Möglichkeit geben, die Mondrian herlockte. Wieder im Wohnraum, beschäftigte ich mich mit dem Gedanken, die Magie umzukehren. Wenn ich das Kreuz aktivierte, schaffte ich ein weiteres Kraftfeld, das dem anderen entgegenwirkte. Das Kreuz war sehr stark. Ich ging davon aus, daß es das andere besiegte.
»Gratuliere, Mensch, du hast es geschafft!« Die Stimme wehte als geheimnisvolles Wispern durch den Raum. Obwohl ich niemand sah, wußte ich, daß der Zauberer gesprochen hatte.
»Hallo, Mondrian. Du hast gut beobachtet.«
»Das habe ich in der Tat.«
»Und was willst du jetzt machen?«
»Ich? Du bist an der Reihe. Ich kann mir vorstellen, daß du gewisse Wünsche hast.«
»Stimmt.«
»Was willst du also?«
»Ganz einfach. Ich möchte dorthin, wo Mason Todd hergekommen ist. Ich will alles kennenlernen, besonders gut die Vergangenheit dieses Bluthauses. Ist das zuviel verlangt?«
»Nein, eigentlich nicht.«
»Dann darf ich mich jetzt schon bedanken.«
Mondrian lachte humorlos aus dem Unsichtbaren heraus. »Ich weiß nicht, ob du dich noch bedanken willst, wenn du erlebst, welche Geschichte dieser Friedhof hat.«
»Mich hat die Geschichte schon immer interessiert.«
»Ich habe sie dir gesagt.«
»Das reicht mir nicht.«
»Aber mir. Sei versichert, ich habe das Haus wieder unter Kontrolle genommen, und so wird es bleiben. Du kannst es abreißen lassen, du kannst es verbrennen, du wirst die Magie nicht zerstören können. Sie bleibt hier, denn sie ist immer hiergeblieben. Wir haben uns den Besitzer des Bluthauses geholt. Den Ankou hast du vernichtet, dafür sollte ich dir meinen Dank aussprechen. Wir sind jetzt frei und werden die Freiheit zu genießen wissen.«
Das hörte sich verdammt endgültig an, und es gefiel mir überhaupt nicht, wenn ich ehrlich sein sollte. Da war einiges nicht nach meinem Geschmack gelaufen.
Ich rief mehrmals hintereinander den Namen des Zauberers, ohne jedoch eine Antwort zu erhalten.
Er hatte sich wieder zurückgezogen. Wohin? In seine Zeit, in seine Sphäre?
Die Beretta vertauschte ich mit dem Kreuz. Gedankenverloren schaute ich es an, als es auf meiner Handfläche lag. Über die Konturen wischte das helle Flimmern hinweg. Ein Zeichen dafür, daß es die andere Magie meldete.
Was würde passieren, wenn ich die Formel rief?
Riß ich das Zeitloch entzwei, oder würde es sich auch für mich öffnen, damit ich Mondrian auf der Spur bleiben konnte. Es war wohl wichtig, wenn ich ihm in die Vergangenheit folgte. Nur da konnte ich ihm entgegentreten und ihn mit den eigenen Waffen schlagen. In der Mitte des Zimmers baute ich mich auf. Das Kreuz lag ruhig auf meiner Hand.
Ich schaute es sehr genau an, konzentrierte mich darauf, holte tief Atem und sprach die Formel, die alles verändern sollte.
»Terra pestem teneto — Salus hic
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